Kapitel 1
Die Schmiede in der Hörrleingasse
Das Pferd schnaubte nervös. Es war eine schöne Fuchsstute, hochgewachsen, mit schlanken Beinen und weißen Fesseln. Ihr Besitzer schlug mit der Gerte gegen ihre Hinterflanke.
»Nun stell dich nicht so an!«, schimpfte der Mann, der ein edles Gewand trug. »Steh still, du Teufelsvieh!« Doch die Stute rollte mit den Augen und wich zur Seite aus, sodass sie ihrem Herrn fast die Zügel aus der Hand riss.
Jos blieb stehen und sah von Reiter und Pferd zu dem Mann, der nun aus dem Halbdunkeln der Schmiede trat. Der war kaum mittelgroß. Unter seiner Lederschürze wölbte sich ein dicker Wanst. Seine Füße steckten in groben Holzschuhen. Seine nackten Arme waren muskulös und von dunklem Haar bedeckt, sein Gesicht glänzte schweißig und war stark gerötet.
Sara trat dicht zu Jos heran. »Er ist ein Hufschmied«, sagte sie leise, obwohl das jeder auf den ersten Blick sehen konnte. Sie schauderte leicht. »Was nun?«, flüsterte sie und sah fragend zu Jos hoch. Der schlaksige Siedersknecht aus der freien Reichsstadt Hall war gut einen Kopf größer als seine Begleiterin. Er war schmal und sehnig, hatte ein waches Gesicht, braunes Haar, das stets widerspenstig nach allen Seiten stand, und erste zögerliche Bartstoppeln an seinem Kinn.
»Tu was!«, drängte Sara. »Jetzt! Du hast gesagt, du willst bei einem Hufschmied in die Lehre gehen. Sind wir nicht deshalb nach Würzburg gekommen?«
Jos antwortete der hübschen blonden Magd an seiner Seite nicht, sondern hielt seinen Blick auf die beiden Männer und die Stute gerichtet. Dennoch konnte er es nicht verhindern, dass seine Gedanken kurz zu der aufregenden Zeit zurücksprangen, die hinter ihnen lag. Sie hatten ihre Heimatstadt Hall verlassen, ihre Familien und Freunde, um sich in Würzburg ein neues, ein besseres Leben zu schaffen. Die Zukunft war ungewiss – trugen sie doch nichts bei sich als ein wenig Geld und ein Empfehlungsschreiben an einen Meister, bei dem Jos lernen könnte. Aber Sara war freiwillig mit ihm in die Fremde gegangen, weil sie ihn liebte, daran zweifelte Jos nicht. Ihr war es gleich, ob sie in Hall oder hier in Würzburg als Magd arbeitete. Hauptsache, sie konnte in Jos’ Nähe bleiben.
Jetzt fuhr sich der Schmied mit der Hand durch das zipfelige Haar und den schon leicht ergrauten Bart und ließ einen Schmutzstriemen auf seiner Wange zurück. »Was kann ich für Euch tun, Herr?«, fragte er und beugte das Haupt. »Neue Eisen?«
Der Vornehme schüttelte den Kopf. »Sie wurde erst vor einer Woche beschlagen, aber jetzt lahmt sie.«
»Hm.« Der Schmied nahm ihm die Zügel aus der Hand, zog das Pferd auf die Gasse hinaus, ließ es ein paar Schritte gehen und führte es dann wieder auf den schmalen, gepflasterten Hof vor der Schmiede zurück. Jos und Sara sahen, dass die Stute sich scheute, den rechten Hinterhuf aufzusetzen.
Der Schmied zog das Halfter durch einen Eisenring und verknotete es. Er spuckte den Strohhalm aus, auf dem er bis dahin gekaut hatte. »Ja, da stimmt was nicht«, pflichtete er dem Edlen bei. »Das Eisen muss runter und dann mal sehen. Könnt Ihr mir aufhalten?«
Der Reiter wich zurück. »Ich? Habt Ihr denn keinen Gesellen oder Lehrling, der Euch hilft, Meister …?«
»Eßwurm, Cuntz Eßwurm, Herr«, stellte sich der Schmied vor und verbeugte sich noch einmal knapp. »Nun ja, für gewöhnlich schon, aber meinen Gesellen habe ich z