Lydia Bertrams hennarotes Haar fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern. Sie trug eine Jeans, eine geblümte Bluse und Stiefeletten, dazu eine Steppweste. Ich schätzte sie auf um die Fünfzig. Wie mit ihr verabredet, wartete sie hinter der Gepäckausgabe auf mich. Sie reichte mir die Hand und bot mir gleich nach unserer Begrüßung das Du an, das sei bei Pura Vida so üblich.
Ich stimmte zu, ohne zu zögern. In der Hotellerie duzte sich jeder mit jedem.
»Hattest du einen guten Flug?«, erkundigte sie sich, während wir Richtung Ausgang gingen.
»Abgesehen von meiner Nervosität schon«, antwortete ich verlegen. Ich wusste gar nicht, weshalb meine Aufregung noch immer wuchs. Auf mich wartete doch etwas Schönes. Besonders auf die leckeren Tapas freute ich mich.
Die Therapeutin lächelte mir aufmunternd zu. »Einige Teilnehmende unseres Programms kommen hier als wahre Nervenbündel an. Die Vorstellung, drei Wochen mit sich selbst beschäftigt zu sein, bereitet manchem Sorge. Aber du wirst sehen, wir begleiten euch dabei und sind immer für euch da.«
Mit Schwung lud sie meinen Koffer und die Reisetasche in einen Lieferwagen und bat mich, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Während sie das Auto vom Flughafengelände lenkte, erklärte sie mir, dass dieser Wagen uns Klienten nach Absprache in unserer Freizeit zur Verfügung stehe. »Ihr müsst ihn nur immer betanken.«
Schon starteten wir die Fahrt über die Insel. Es war nicht besonders kalt, die Temperaturanzeige meldete zwölf Grad. Der Regen hatte inzwischen aufgehört.
Bewundernd betrachtete ich die fremde Landschaft. Hier war alles recht flach. Brachliegendes Land mit einzelnen Gebäuden darauf kam in Sicht, Lagerhallen, Wohnhäuser. In der Ferne waren ein paar rostige Windmühlen zu erkennen, die nicht mehr in Betrieb waren. Die Umgebung war grüner, als ich gedacht hatte. Hinter allem war das Meer zu erahnen, das ich vom Flugzeug aus gesehen hatte.
»Hat es viel geregnet in letzter Zeit?«, fragte ich meine Fahrerin.
»Den ganzen Herbst kam einiges runter, ja – zum Leidwesen der Touristen. Uns hat es natürlich gefreut. Bei uns oben sind auch noch weitere Schneefälle angekündigt.« Sie lächelte. »Mit den Alpen können wir natürlich nicht mithalten. Und Skifahren kann man hier auch nicht. Aber einen kleinen Schneemann haben wir dieses Jahr schon gebaut.«
Auf der Strecke Richtung Tramuntana-Gebirge berichtete Lydia über Land und Leute der Insel. Die größte Gruppe an Ausländern waren gar nicht Deutsche, so wie ich es erwartet hätte, sondern Marokkaner. Außerdem gab es noch Engländer und Schweden, die ganze Viertel bewohnten. Sie erzählte das alles mit einem Augenzwinkern; sie war ja selbst eine Ausländerin, die einen kleinen Teil der Insel für sich beanspruchte.
»Seit wann lebst du hier?«, fragte ich.
»Seit knapp acht Jahr