: Peter Zadek
: Die Wanderjahre 1980 - 2009
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462301786
: 1
: CHF 13.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 528
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Peter Zadeks Erinnerungen an die letzten 30 Jahre. Sein Vermächtnis an alle, die das Theater lieben.Der dritte Band der Memoiren von Deutschlands größtem Theaterregisseur - Arbeitsbericht, Selbstbeobachtung, Zeitdiagnose und Theatergeschichte.Als der große Peter Zadek 2010 in Hamburg im Alter von 83 Jahren starb, ging ein unvergleichliches Theaterleben zu Ende. Kein Regisseur hat das deutsche Theater fünf Jahrzehnte lang so aufgewühlt, revolutioniert und dominiert wie Peter Zadek. Kein Regisseur hat eine solche Vielzahl von unvergesslichen Inszenierungen geschaffen. Aber Peter Zadek war nicht nur Theaterregisseur - er hat auch großartige Filme wie Ich bin ein Elefant, Madame gedreht, er war Theaterintendant in Bochum, Hamburg und Berlin, er hat Regie unterrichtet und er hat zwei Bände hinreißender Memoiren veröffentlicht: My Way und Die heißen Jahre.Es ist ein großes Glück, dass Peter Zadek noch bis kurz vor seinem Tod an dem dritten und abschließenden Teil seiner Memoiren gearbeitet hat, so dass dieser Band nun posthum erscheinen kann - ein Geschenk an alle, die die Arbeit dieses Theatergenies erlebt und verfolgt haben.In Die Wanderjahre 1980-2009 schildert Peter Zadek sein Leben an der Seite der Schriftstellerin Elisabeth Plessen und seine Arbeit seit den frühen 80ern. Mit lakonischem Witz, voller scharfer Beobachtungen und überraschender Analysen lässt er Erfolge und Misserfolge, persönliche Erlebnisse und Ereignisse der Zeitgeschichte Revue passieren. Und immer wieder geht es um »seine« Schauspieler, die unvergessliche Gruppe, die immer wieder zusammenfand: Ulrich Wildgruber, Hermann Lause, Angela Winkler, Eva Mattes, Uwe Bohm, Gert Voss, Ilse Ritter, Susanne Lothar und viele andere. Nie hat Peter Zadek aufgehört, über Theater als öffentliche Kunstform nachzudenken: Was ist ein Schauspieler? Was bedeutet Regie? Was der Umgang mit der Sprache? Was kann Theater bewirken?Seine Antworten sind sein Vermächtnis an uns.Wie die beiden ersten Bände entstand auch Die Wanderjahre 1980-2009 auf der Grundlage von Gesprächen mit Helge Malchow. Herausgeberin des Bandes ist Elisabeth Plessen.

Peter Zadek, geboren am 19. Mai 1926 in Berlin, starb am 30. Juli 2009 im Alter von 83 Jahren. Studium in Oxford, seit 1946 Theaterarbeit in England, ab 1958 meist in Deutschland. Intendant in Bochum (1972 bis 1975) und Hamburg (1985 bis 1989), seitdem Arbeit als freier Regisseur u.a. in Wien, München und Berlin. Insbesondere seine Shakespeare-Inszenierungen haben Theatergeschichte geschrieben.

ICH GING 1979 NACH BERLIN, suchte erst mal eine Wohnung und fand eine wunderbare, die schönste, die ich je in Berlin gehabt oder gesehen habe, über 200 m², eine riesige, typische Berliner Wohnung in der Fasanenstraße, auf dem zweiten Stock, mit einem riesigen runden Bad, einem runden grünen Bad. Alles war überdimensional. Ich weiß nicht, was der Herr, der vor mir dort lebte, getrieben hat, aber es war sehr schön. Dort zog auch zu Teilen Elisabeth Stepanek mit ein, mit der ich auf schwierigste Weise noch zusammen war. Dann fing ich an, bei Kurt Hübner an der Freien Volksbühne zu arbeiten. Berlin fand ich damals schon bedrückend. Jetzt weiß ich natürlich nicht, und ich wußte es damals auch nicht, ob es daran lag, daß ich gerade eine so wunderbare Zeit in Hamburg hinter mir hatte. Berlin konnte damit nicht konkurrieren, obwohl die Wohnung ganz wunderbar war. Meine Situation war eigentlich fabelhaft. Aber ich hatte mein Ensemble verloren. Die Familie war weg. Ich mußte jetzt zusehen, daß ich die Teile der Familie, sofern es möglich war, wieder zusammenholte. Für drei Inszenierungen bei Hübner habe ich es auch geschafft –Menschenfeind, Bunbury undDer Widerspenstigen Zähmung. Da kamen Wildgruber, Lause, Rosel Zech, Eva Mattes, Ilse Ritter und Elisabeth Stepanek, Dietrich Mattausch, Heinz Schubert und Johannes Pump wieder zusammen. Aber unser Rhythmus war gestört. Die Konzentration der Arbeit am Hamburger Schauspielhaus, die Ivan Nagel hergestellt hatte, war wirklich sehr groß gewesen. In Berlin zerfledderte sich irgendwie alles. Es war nicht mehr ein Gefühl von Ensemble. Die Schauspieler wurden einzeln an dieses Theater engagiert, sie lebten entweder in möblierten Wohnungen oder hatten ihre Frauen, Kinder und Familien woanders, so daß eine grundsätzliche Unruhe herrschte. Ich versuchte, die Familie zusammenzuhalten. Was aber sehr schwierig war.

Berlin Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre deprimierte mich. Das hatte natürlich viel mit meiner Vergangenheit und meinen Erinnerungen zu tun, die jetzt plötzlich zurückkamen. Erinnerungen an die Eltern und was ich von ihnen so gehört hatte. Das Gefühl, daß ich über Pflastersteine ging, über die meine Ahnen auch gegangen waren und über die ich im Kinderwagen geschoben worden bin, hatte zwar einen gewissen Reiz, aber es erzeugte auch eine gewisse Depression, weil von alldem überhaupt nichts übriggeblieben war. Dieses berühmte, tolle Berliner Publikum, über das die Leute immer redeten, und über das man in Memoiren liest, habe ich in Berlin nicht gefunden, weil dieses tolle Berliner Publikum zu einem großen Teil aus Juden bestanden hatte, und die waren nicht mehr da. Die waren nämlich tot. So war es eine Illusion, eine Selbstkarikatur der Berliner, zu behaupten, daß es ein tolles Berliner Publikum gäbe. Die einzige Stärke des Berliner Theaterpublikums war seine Schnelligkeit, die Berliner waren immer sehr schnell in ihren Reaktionen. Sie sind sehr schnell, wenn etwas komisch und witzig ist. Sie sind sehr schnell, wenn ein Schauspieler virtuos ist. Sie sind absolut unbrauchbar für irgend etwas, das den leisesten Hauch von Poesie hat, so daß zum Beispiel meinLear – eine sehr poetische Aufführung –, als er von Bochum nach Berlin kam, dort überhaupt keine Wirkung hatte. In Berlin mußte man immer schnell, knapp, sehr direkt und ohne Umständlichkeit inszenieren, wie für Leute, die ganz schnell immer noch woandershin mußten. Sie waren mal kurz im Theater … Eigentlich war das so eine Pause für sie.

Ich lebte noch mit Elisabeth Stepanek zusammen, aber es war wieder eine Zeit des Übergangs, denn mittlerweile hatte ich Elisabeth Plessen getroffen. Ich steckte also wieder mitten in kompl