: Emily Lewis
: Finding Love
: MORE by Aufbau Digital
: 9783967975567
: 1
: CHF 3.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ich will dich mehr als alles in der Welt.

Als Drummer Jeremy zu Ellas Band stößt, ist es sofort um sie geschehen. Auch für Jeremy scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein, und die beiden erleben wunderbare gemeinsame Wochen. Doch dann reißt ein dramatischer Schicksalsschlag die beiden auseinander ... 

Vormals unter dem Titel 'Heartbeat. Loving You' erschienen.

Kapitel 1: Ben’s Diner


Es gibt Tage, an denen wäre ich gern Cara.

Cara ist meine zwanzigjährige Schwester. Bevor sie aufs College ging, war siedas It-Girl der Jefferson-High-School: Beliebt, witzig, klug und zu allem Überfluss auch noch mit dem Quarterback des Schulteams zusammen. Nolan und sie sind seit über fünf Jahren ein Paar und ich bin sicher, dass es keine weiteren fünf Jahre mehr dauern wird, bis er ihr einen Ring an den Finger steckt. Wenn sie auch noch Cheerleaderin gewesen wäre, hätte ihr Leben perfekt in einen Klischee-High-School-Film gepasst.

»Aber zu viel Perfektion verträgt die Welt nicht«, hatte sie mir erklärt und mich dabei so fröhlich angestrahlt, dass ich ihr diesen überheblichen Spruch nicht einmal übel nehmen konnte. Anstatt sich also bei akrobatischen Verrenkungen am Spielfeldrand die Seele aus dem Leib zu brüllen, steht sie lieber auf der Bühne und zerlegt dabei in regelmäßigen Abständen ihre E-Gitarre. Vor drei Jahren hat sie mit Nolan und dessen Freund AdrianThe Drunken Pillows gegründet: Sie an der E-Gitarre und neben Frontman Nolan gleichzeitig Frontfrau, Adrian am Keyboard. Vor nicht ganz einem Jahr überredete sie mich dazu, mit meinem Saxophon ebenfalls in die Band einzusteigen. Und seit ich mit ihr auf der Bühne stehe und sehe, wie sie ein ganzes Publikum in ihren Bann zieht, stelle ich mir noch häufiger vor, wie es wäre, so zu sein wie sie.

Die meisten Tage meines Lebens verbringe ich allerdings in der Realität. Und in der bin ich Caras siebzehnjährige Schwester Ella, nach diesem Sommer Schülerin im Senior Year auf der Jefferson High und nach der Schule Bedienung inBen’s Diner.

»Hey Schwesterchen, träumst du schon wieder?«

Ich schrecke hoch, mir rutscht der Espressofilter aus der Hand und die braune Pampe klatscht auf den Boden. Ich fluche leise und wische die Sauerei auf. Cara kommt lachend auf mich zu, während sich Nolan, Adrian und ein Junge, den ich nicht kenne, in die Sitzecke vor der Jukebox verziehen.

»Komm her, Ella«, kommandiert sie.

Ich weiß genau, was jetzt kommt und ich hasse und liebe dieses Ritual gleichzeitig. Cara stützt sich mit beiden Händen auf die Theke, springt schwungvoll hoch, beugt sich dabei nach vorn und gibt mir einen dicken Kuss auf die Wange. Seit ich im Diner arbeite, macht sie das – übrigens nicht nur einmal, ich hab ja schließlich zwei Wangen. Beim ersten Mal protestierte ich noch und erklärte ihr, dass diese Aktion wirklich peinlich wäre, aber sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und flüsterte »Ich sag nur Notting Hill.«

Notting Hill ist der Lieblingsfilm unserer Mum. Cara und ich kennen ihn mehr oder weniger auswendig. Am Ende des Films sucht Hugh Grant Julia Roberts in einem Hotel und als der Mann an der Rezeption ihm sagt, wo er sie finden kann, bedankt er sich mit so einem Theken-Kuss bei ihm. Der nächste Hotelgast, der das offenbar für die feine britische Art hält, tut es ihm gleich.

Cara und ich haben uns schon vor Jahren über diese Szene kaputtgelacht, während Mum uns mit Sofakissen bewarf und erklärte, wir sollten ihr mit unserem Gekicher nicht den besten Teil des Films versauen.

»Ella!«

»Was denn?«

»Wo bist du denn schon wieder mit deinen Gedanken? Kannst du mir und den Jungs vier Cheeseburger bringen?«

»Klar«, nicke ich und gebe die Bestellung nach hinten in die Küche. Dann schnappe ich mir meinen Orderman und laufe an den Tisch meiner Schwester.

»Was wollt ihr trinken?«, frage ich, und versuche, die Tischnummer in den Orderman einzugeben. Dabei vertippe ich mich mehrfach und während mir Cara und ihre drei männlichen Begleiter Getränke zurufen, klicke ich mich durch das Menü dieses dämlichen Mini-Computers.

»Schaffst du es nicht, dir unsere vier Getränke einfach zu merken?«, fragt mich eine tiefe Stimme spöttisch.

Mit geschlossenen Augen halte ich einen Moment die Luft an. Dann erkläre ich: »Diese Bestellcomputer sind neu und blöderweise ...« Ich öffne die Augen wieder. Definitiv ein Fehler. Ich schaue in zwei tiefbraune Augen, die von langen, dichten Wimpern umrahmt sind und habe plötzlich einen Knoten in der Zunge. Um meinen Schreck zu überspielen, räuspere ich mich und murmele dann ein »Entschuldigung«.

»Das ist Jeremy«, erklärt Nolan. »Er ist vor kurzem hergezogen, geht seit Neuestem mit mir aufs College und hat das große Glück, dass ich ihm hier zeige, wo es langgeht. Jeremy, das ist Caras kleine Schwester Ella.«

»Freut mich, kleine Schwester Ella«, antwortet Braunauge und zieht zweimal kurz nacheinander seine Augenbrauen hoch.

»Ella reicht völlig«, fauche ich.

Während ich zurück zur Theke laufe, um die Getränke zu holen, höre ich Cara und die drei Jungs lachen. Wieder so ein Moment, in dem ich mir die witzige Schlagfertigkeit meiner Schwester wünsche. Aber es hilft alles nichts: Ich bin Ella und die wird nicht witzig, wenn sie gutaussehende Typen trifft, sondern je nach Stimmungslage pampig oder tollpatschig. In diesem Fall ist mein erster Eindruck auf Jeremy ohnehin egal. Für ihn bin ich dank Nolan nichts weiter als die kleine Schwester von Nolans cooler Freundin.

Ich bereite die Getränke vor und vermeide angestrengt jeden Blick zum Ecktisch. Es gelingt mir, die vollen Gläser und Burger ohne Katastrophen an den Tisch zu bringen. Sogar ein Lächeln kriege ich hin, obwohl Caras fragendes Gesicht mir zeigt, dass irgendetwas an diesem Lächeln nicht so gelungen sein dürfte. Mein Herz rast und ich hoffe inständig, dass ich nicht dunkelrot anlaufe.

»Alles ok?«, zischt sie mir zu, als ich ein weiteres Mal an ihren Tisch laufe, um eine frische Flasche Ketchup zu bringen. Glücklicherweise besitzt Cara mehr Taktgefühl als ihr Freund, denn außer mir hört diese Frage niemand. Ich nicke schweigend und sehe zu Jeremy.

Unsere Blicke treffen sich und ein nervöses Kribbeln wühlt sich durch meinen Magen. Er zwinkert mir zu, als gäbe es eine geheime Abmachung zwischen uns. Dann dreht er sich wieder zu Nolan und lacht über irgendetwas. Ich fühle mich wie ein Trottel und kann beim besten Willen nicht einschätzen, ob dieser Jeremy sich über mich lustig macht oder mit mir flirtet. Mir ist völlig unverständlich, wie Cara in seiner Nähe so cool bleiben kann.

Natürlich hat sie mitbekommen, dass ich Jeremy wortlos angestarrt habe, sieht zwischen ihm und mir hin und her und grinst. »Wir brauchen nichts mehr. Nur noch die Rechnung bitte«, hilft Cara mir in die Realität zurück.

Mehr als ein Nicken bringe ich nicht zustande. Ich gehe zurück zum Tresen, drucke die Rechnung aus und sehe erleichtert, wie Cara Geld von den Jungs einsammelt und damit zu mir kommt. »Ich glaube, Jeremy steht auf dich«, flüstert sie und zählt mir das Geld vor.

»Klar«, antworte ich genervt. »Traumtypen stehen doch immer auf die kleine Schwester der Ballkönigin.«

Cara lacht glucksend. »Hast du ne Ahnung«, gibt sie geheimnisvoll zurück. Dann hüpft sie zweimal über den Tresen, um sich mit Notting-Hill-Küsschen zu verabschieden, winkt mir noch einmal zu und wenige Sekunden später sind die vier zur Tür raus.

Ich atme erleichtert aus und lasse die Schultern fallen. Langsam beruhigt sich mein Puls wieder. Ein Blick auf die große runde Uhr über der Eingangstür verrät mir, dass weitere drei Stunden Schicht vor mir liegen. Doch jetzt, wo Jeremys Anwesenheit mich nicht mehr durcheinanderbringt, macht mir das nichts aus. Ich arbeite gern inBen’s Diner. Die Burger sind lecker, Essen stellt mir Ben umsonst vor die Nase, die Bezahlung stimmt und die meisten Gäste sind nett und spendabel, wenn es ums Trinkgeld geht.

An Tisch sieben winkt Police Officer Clement nach mehr Kaffee. Ich greife mir die Kanne und laufe zu ihm rüber.

»Mittagspause, Sir?«, frage ich höflich, während ich nachschenke und gleichzeitig seinen leeren Teller abräume.

Officer Clement nickt. »Nichts los heute.«

»Die bösen Jungs wissen genau, wann Sie Streife fahren.« witzele ich.

»Gut so«, brummt er und grinst verhalten. »Dann kann ich heute Nachmittag noch ein bisschen Papierkram...