: Katharina Maier
: Adelsspross Die Erste Tochter 1
: neobooks Self-Publishing
: 9783752931006
: Die Erste Tochter
: 1
: CHF 3.50
:
: Science Fiction
: German
: 336
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Mädchen erkennt, dass sie fliegen möchte und nicht darf: Myn wächst auf einem Planeten auf, über dem Raumschiffe fliegen und auf dem Väter das letzte Wort haben. Sie kann immer nur das, was Mädchen nicht können sollen. Trotzdem verlebt die Adelstochter eine unbeschwerte Kindheit mit einer eigenwilligen Mutter, einem schöngeistigen Vater und einem großen Bruder, der sie anspornt, ihren eigenen Verstand zu gebrauchen. Ihre scheinbar heile Welt erhält Risse, als der aufwieglerische Asnuor zum Obersten Priester ernannt wird. Weshalb fällt das ganze Volk vor einem solchen Ehrgeizling auf die Knie? Warum schmiedet Myns Mutter Pläne hinter verschlossenen Türen? Und was hat das alles mit Myn und ihrem Bruder Vairrynn zu tun? In 7 Bänden erzählt 'Die Erste Tochter' von Intrige, Leidenschaft, Liebe, Freundschaft, Hass, einer fremden Welt und von einer Frau und drei Männern, die diese Welt für immer verändern. Doch eigentlich will Myn vor allem eins: ihre eigene Freiheit, von der sie in 'Adelsspross' gerade erst begreift, dass sie sie gar nicht hat. Ein Planet. Eine Frau. Ein Kampf

Katharina Maier ist in der Oberpfalz geboren. Ihre erste Geschichte war ein Märchen über eine Taube und eine weiße Hirschkuh, die sich ineinander verliebten und sehr glücklich miteinander wurden. Heute schreibt sie Sachbücher über Literatur im weitesten Sinne und Future-Fantasy-Geschichten von epischer Länge, in denen mal mehr Future und mal mehr Fantasy steckt. Katharina Maier lebt in Augsburg.

FAMILIE


An dem Abend, da die Alte in mein Leben trat, las ich ein Buch, obwohl ich eigentlich hätte sticken sollen. Wie so oft im Herbst auf Singis, in der Sturmzeit, wie wir sagen, heulte der Wind um das Haus und ließ die Fensterschilde knistern. Meine Mutter und ich saßen am prasselnden Kamin und gaben ein Tableau gut-singisischer Häuslichkeit, zumindest bis zu dem Moment, da ich kapitulierte und meinen Stickrahmen gegen ein zerlesenes Buch austauschte, voller Legenden über Götter und Geistwesen und solche, die beides waren.

Meine Mutter webte gerade an einem Teppich, auf dem in einem Tanz von Licht und Schatten der Triumph des allmächtigen Wy über den Göttlichen Gegner Form annahm, und tat so, als würde sie meinen kleinen Akt des Ungehorsams nicht bemerken. Auch von meinem Vater drohte mir im Moment keine Rüge. Er saß bei meinen beiden Brüdern an dem schweren, dunklen Holzsteintisch gegenüber dem Kamin und legte gerade letzte Hand an eine zierliche Figurine. Um ihn herum hätte also gerade das Singisische Reich untergehen können, ohne dass er mit der Wimper gezuckt hätte. Die Weigerung seiner Tochter, ihr Geschick in Handarbeiten zu vervollkommnen, wie es sich für ein Mädchen aus gutem Hause gehörte (ganz besonders, wenn es um dieses Geschick derart düster bestellt war wie um das meine), war sicher nicht dazu geeignet, die Aufmerksamkeit meines Vaters von seinem kleinen Kunstwerk abzulenken.

Mein Vater, Eftnek Neoly, war Holzsteinschnitzer, und er war einer der besten. Davon zeugten die kleinen Statuen in den Winkeln des Zimmers, in jeder der acht Ecken zwei, je eine aus hellem und eine aus dunklem Holzstein. Unschwer war zu erkennen, dass die Liebe zu Legenden und Märchen in der Familie lag. An unseren Wänden wachten nicht hochgereckte Statuen von Gründervätern, sondern die sagenumwobenen Chyndrai: Neckische Wassergeister und flackernde Feuerfrauen verschlangen sich ineinander, Himmelstöchter hoben ihre ätherischen Arme gegen die Decke, als wollten sie nach den Sternen greifen, und Erdgeister formten sich selbst aus den Gebeinen der Welt. Zusammen mit Mutters zartgewebten Seidenteppichen verliehen die Figuren unserem kleinen Familienzimmer einen Hauch von Anderweltlichkeit, ganz so, als hätten die Chyndrai selbst es berührt – so zumindest sagte ich, wenn meine Fantasie einmal wieder Kapriolen schlug. Mein kleiner Bruder Mudmal pflegte dann die Augen zu verdrehen wegen seiner albernen Schwester, was er sehr oft tat und sehr theatralisch, damit auch ja niemand auf die Idee kam, er könnte mit meiner Torheit irgendetwas gemein haben. Aber damit konnte ich umgehen. Das war normal. Nicht normal war, dass mein großer Bruder mich bei solchen Gelegenheiten mit glitzernden Augen ansah, mich eine kleine Poetin nannte und mir heimlich eine Memofeder und Speicherpapier in die Hand drückte, damit ich aufschreiben konnte, was mir durch den wirren Kopf ging. Natürlich überforderte er mich damit heillos, aber das schien er nicht einzusehen.

Vairrynn. Ich zählte damals neun Jahre, mehr als genug, um zu verstehen, dass mein großer Bruder … anders war. Da diese Andersartigkeit aber dazu führte, dass er mich behandelte, als wäre ich so viel wert wie er, akzeptierte ich sie dankbar, ohne mir allzu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen. Immerhin waren wir eine Künstlerfamilie, und da war für jemanden wie Vairrynn allemal der richtige Platz. Das glaubte ich.

An jenem Sturmzeitabend las ich also von den Irrungen und der Glorie der Chyndrai, als die Türglocke durchdringend durch das Haus hallte. Wir alle zuckten zusammen wie ertappte Missetäter. Selten kam jemand unangemeldet zu dem Holzsteinschnitzer Neoly, und schon gar nicht zu so später Stunde, es sei denn