: Viveca Sten
: Die Toten von Sandhamn Ein Fall für Thomas Andreasson
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462305678
: Thomas Andreasson ermittelt
: 1
: CHF 10.00
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Ein Bestseller - zu Recht« Cosmopolitan Als Thomas' Jugendfreundin Nora durch einen Zufall herausfindet, dass ihr Mann sie hintergeht, fährt sie trotz Eis und Schnee mit ihren Söhnen nach Sandhamn, um in Ruhe nachdenken zu können. Die Inselbewohner sind erschüttert, denn gerade ist ein Mädchen verschwunden - noch geben die Eltern die Hoffnung nicht auf, dass sie ihre Tochter lebend zurückbekommen. Doch dann machen ausgerechnet Noras Söhne beim Spielen eine schreckliche Entdeckung ...Knapp 100 Jahre zuvor: Der kleine Thorwald leidet unter den brutalen Ausbrüchen seines Vaters. Dieser vergöttert die Tochter, misshandelt aber den Sohn; die Mutter schaut untätig zu. Thorwald möchte von der Insel fliehen. Geschickt flicht Viveca Sten aus diesen beiden Erzählsträngen einen Roman, der jeden sofort in Bann zieht und viel über das Leben auf der Schäreninsel im Lauf der Zeiten erzählt.

Viveca Sten war Chefjuristin bei der dänischen und schwedischen Post, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie wohnt mit Mann und drei Kindern vor den Toren von Stockholm. Seit sie ein kleines Kind war, hat sie die Sommer auf Sandhamn verbracht, wo ihre Familie seit mehreren Generationen ein Haus besitzt. Ihre Sandhamn-Krimireihe feiert weltweit Erfolge und wurde für das ZDF verfilmt.
Inhaltsverzeichnis

Sandhamn 1919


Die Kriegsjahre waren auch für den Schärengarten nicht leicht. Der Dampfschiffverkehr wurde nahezu eingestellt, und die Sommergäste aus der Großstadt blieben aus.

Viele der Insulaner waren auf die Einkünfte aus der Zimmervermietung angewiesen, und Witwe Wass sah von Woche zu Woche besorgter aus. Keiner fragte mehr nach ihrem Barschfrikassee oder ihrem Kalbsbraten mit Gurke, aber sie hatte in diesen Jahren des Mangels auch nur selten etwas anzubieten.

Es war schwierig zu erfahren, was in der Welt vor sich ging, und der Nachrichtenmangel gab Anlass für allerhand Gerüchte. Einmal behauptete einer der alten Dörfler mit Nachdruck, ein Friedensschluss stehe unmittelbar bevor, mit der Folge, dass die Russen den Stockholmer Schärengarten übernehmen würden. Die Sorge, dass er recht haben könnte, ließ das Lächeln auf den Gesichtern gefrieren, obwohl eigentlich niemand den Spekulationen des Alten so recht traute.

Gottfrid hatte sich an die Stille in seinem Haus gewöhnt.

Vendela kam ihren Pflichten notdürftig nach und kümmerte sich um den Jungen. Sie hielt das Haus einigermaßen sauber und sorgte dafür, dass seine Uniformen gewaschen und gestärkt waren. Thorwald schrie nicht mehr vor Hunger, und seine Sachen waren weder zerrissen noch schmutzig.

Seinen Dienst beim Zollamt versah Gottfrid außerordentlich korrekt. Abend für Abend blieb er bis weit nach Dienstschluss, um sich zu versichern, dass alle Angaben ins Hauptbuch eingetragen worden waren. Jede Zollkontrolle musste sorgfältig durchgeführt werden, ganz gleich, wie viele Schiffe im Hafen lagen. In seinem Dienstzimmer hielt Gottfrid Stifte und Papier in militärischer Ordnung. An seiner Pflichterfüllung gab es nichts auszusetzen, im Gegenteil. Er wurde von seinen Vorgesetzten belobigt.

Aber mit Thorwald kam er nicht zurecht.

Er war ohne Zweifel sein Sohn, zumindest erkannte er gewisse Ähnlichkeiten bei sich und dem Jungen. Sie hatten das gleiche blonde, widerspenstige Haar und die gleichen tief liegenden Augen, die wachsam in die Welt schauten.

Aber er empfand nichts für seinen Sprössling.

Die Sorge und Bitterkeit über die Verwandlung, die seine Ehefrau an den Tag legte, überschatteten alles. Insgeheim gab Gottfrid seinem Sohn die Schuld an Vendelas Veränderung. Vor der Geburt des Jungen hatte er so große Hoffnungen gehabt. Aber sein Traum von einer glücklichen Familie war nur ein Traum geblieben. Weder seine Frau noch sein Sohn erfüllten seine hohen Erwartungen.

Thorwald war ein scheuer Junge, der seinem Vater aus dem Weg ging. Er blieb allein für sich in der Küche und beschäftigte sich mit seinen Spielsachen, meist Stöckchen und Tannenzapfen, die er im Wald gefunden hatte. Er war ganz vernarrt in ein Rindenboot, das er von seinem Großvater bekommen hatte. Der Großvater und er waren eines schönen Sommertages in den Wald gegangen und hatten nach einem schönen Stück Baumrinde gesucht. Dann hatte der Großvater sich in die Sonne gesetzt und das Boot aufgetakelt.

Die Schwiegereltern kamen hin und wieder zu Besuch, aber nicht sehr oft, und wenn, dann blieben sie nur kurze Zeit. Das Leben auf Möja ließ nicht zu, dass sie länger abwesend waren; das Vieh musste versorgt und das Heu eingebracht werden, da blieb nicht viel Zeit übrig für Ausflüge zu ihrer unglücklichen Tochter auf Sandhamn. Außerdem hatten sie fünf weitere Kinder, von denen drei noch auf Möja lebten.

Einmal hatte der Schwiegervater Gottfrid beiseitegenommen und unbeholfen versucht, mit ihm zu reden.

»Sie war schon als kleines Mädchen nicht besonders fröhlich«, sagte der Schwiegervater und hantierte mit seiner Pfe