Wunschdenken
Elyra folgte ihren Freunden durch den lichten Nadelwald, der auf der Felskuppe diesen trockenen Duft nach Sommer und Tannennadeln verbreitete. Tief sog sie die Luft in die Lunge und lächelte. Herrlich! Sie liebte Sommertage wie diese, die sie zum Träumen und Verweilen am See einluden.
»Elyra, kommst du?«, rief Hanno, lachte und schützte die Augen mit der Hand vor der strahlenden Sonne. »Wären alle so langsam wie du, würde die Menschheit nichts gebacken bekommen.«
Grinsend beschleunigte sie ihre Schritte, um zu Lana und ihm aufzuholen. »Und wenn alle so lange bräuchten, um ins Wasser zu kommen, dann könnten wir es ebenfalls gleich vergessen.« Gerade noch hielt sie sich zurück, ihm die Zunge rauszustrecken. Er haderte bereits damit, dass er von ihrer Dreiergruppe am meisten Mühe mit der Kälte des Wassers hatte. Lana und sie waren jeweils schneller im kalten Wasser, dabei war er der Mann in der kleinen Gruppe.
Hanno verdrehte die Augen und breitete sein riesiges Badetuch auf dem felsigen Strand aus. Am Tansee gab es keinen Sand, sondern nur dunkle Felsen und Kieselsteine, die sich in den Buchten sammelten. Nichts im Vergleich zu den Traumstränden in den Reisekatalogen. Dennoch liebte Elyra ihren See und das Schwimmen, die Berge rundherum.
Sie lächelte. »Schon erstaunlich, dass wir seit Jahren immer wieder hierherkommen.« Seit ihrem ersten Ausflug an den Tansee hatten sie die Pubertät überlebt, die Schule abgeschlossen, Ausbildungen begonnen und erfolgreich beendet. Nun arbeiteten alle. Dennoch fand sich mindestens ein Nachmittag im Sommer, an dem sie zu ihrem Strand schlenderten und einander mit denselben Sprüchen aufzogen, die ihnen schon mit zwölf über die Lippen gekommen waren. Das war fast zwanzig Jahre her, und noch immer benahmen sie sich wie Jugendliche, wenn sie etwas gemeinsam unternahmen. Wahre Freundschaft alterte nicht.
Lachend wandte sich Lana dem glitzernden Nass zu. »So erstaunlich nun auch wieder nicht.«
»Sagt gerade die, die für Jahre ins Ausland abgehauen ist«, warf Hanno ein, der sein Handtuch an den Enden zurechtzupfte.
Es wirkte geradezu, als würde er Zeit schinden. Elyra lachte leise in sich hinein und trat ans Wasser. Die Wellen schlugen sanft gegen das dunkelgraue Gestein und benetzten ihre Zehen. Vielleicht lag es ja an Lanas Auslandsaufenthalten, dass die beiden nie ein Paar geworden waren. Dabei hatte sie immer gedacht, dass Hanno und Lana mehr füreinander empfanden als reine Freundschaft.
Hinter ihr lachte Hanno und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Willst du etwa so ins Wasser springen?« Als sie sich umdrehte, wackelte Hanno mit den Augenbrauen.
Sie sah an sich hinab. Noch trug sie Rock und Shirt über dem Bikini, doch das liess sich schneller ändern, als es Hanno recht sein konnte. »Na warte«, murmelte sie herausfordernd u