: Sally Rooney
: Normale Menschen Roman
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641205614
: 1
: CHF 8.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 320
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Geschichte einer intensiven Liebe: Connell und Marianne wachsen in derselben Kleinstadt im Westen Irlands auf, aber das ist auch schon alles, was sie gemein haben. In der Schule ist Connell beliebt, der Star der Fußballmannschaft, Marianne die komische Außenseiterin. Doch als die beiden miteinander reden, geschieht etwas mit ihnen, das ihr Leben verändert. Und auch später, an der Universität in Dublin, werden sie, obwohl sie versuchen, einander fern zu bleiben, immer wieder magnetisch, unwiderstehlich voneinander angezogen. Eine Geschichte über Faszination und Freundschaft, über Sex und Macht.

Sally Rooney wurde 1991 geboren, ist in Castlebar, County Mayo, aufgewachsen und lebt in Dublin. Ihre frühen Arbeiten sind erschienen inThe New Yorker, Granta, The White Review, The Dublin Review, The Stinging Fly,Kevin Barrys Stonecutter und der Anthologie Winter Pages. Sie studierte am Trinity College Dublin, zunächst Politik, machte dann ihren Master in Literatur. Sie war dort 2013 die Nr. 1 bei den European University Debating Championships. Rooneys Debütroman »Gespräche mit Freunden« war Book of the Year inSunday Times, Guardian, Observer, Daily Telegraph undEvening Standard. Der Roman kam auf die Shortlist desSunday Independent Newcomer of the Year Award 2017, des International Dylan Thomas Prize und des Rathbones Folio Prize 2018. Rooney war die Gewinnerin desSunday Times/Peters Fraser& Dunlop Young Writer of the Year Award 2017, den u.a. auch Zadie Smith und Sarah Waters gewannen. Rooney ist inzwischen Redakteurin des irischen LiteraturmagazinsThe Stinging Fly. Ihr zweiter Roman »Normale Menschen« wurde für den Man Booker Prize 2018 nominiert und gewann u.a. den Costa Novel Award, den An Post Irish Novel of the Year Award und den British Book Award (Novel of the Year und Book of the Year).

Januar 2011


Als Connell klingelt, macht Marianne die Tür auf. Sie trägt immer noch ihre Schuluniform, aber ohne den Sweater, also nur Bluse und Rock, und sie hat keine Schuhe an, nur Strümpfe.

Oh, hey, sagt er.

Komm rein.

Sie dreht sich um und geht den Flur runter. Er folgt ihr, schließt hinter sich die Tür. Ein Stück weiter in der Küche pellt sich seine Mutter Lorraine die Gummihandschuhe ab. Marianne hüpft auf die Küchentheke und greift nach einem offenen Glas Schokocreme, in dem noch ihr Teelöffel steckt.

Marianne hat mir erzählt, dass du heute die Ergebnisse von den Probeklausuren bekommen hast, sagt Lorraine.

Wir haben Englisch gekriegt, sagt er. Die kommen einzeln zurück. Willst du los?

Lorraine faltet ordentlich ihre Gummihandschuhe zusammen und legt sie unter die Spüle. Dann nimmt sie die Klammern aus dem Haar. Connell findet, dass sie das auch im Auto hätte tun können.

Und wie ich hörte, lief es für dich sehr gut, sagt sie.

Er war Klassenbester, sagt Marianne.

Stimmt, sagt Connell. Marianne war auch ziemlich gut. Können wir los?

Lorraine hält beim Ausziehen ihrer Schürze inne.

Ich wusste gar nicht, dass wir es eilig haben, sagt sie.

Er schiebt die Hände in die Taschen und unterdrückt einen genervten Seufzer, unterdrückt ihn aber mit einem hörbaren Einatmer, so dass es immer noch nach einem Seufzer klingt.

Ich muss nur noch mal schnell rauf und den Trockner ausräumen, sagt Lorraine. Und dann gehen wir. Okay?

Er erwidert nichts, lässt nur den Kopf hängen, als Lorraine den Raum verlässt.

Willst du was davon?, fragt Marianne.

Sie hält ihm das Glas mit Schokocreme hin. Er schiebt seine Hände ein kleines Stück tiefer in die Taschen, als versuchte er, seinen gesamten Körper auf einmal in die Taschen zu stecken.

Nein, danke, sagt er.

Habt ihr heute eure Französischnoten bekommen?

Gestern.

Er lehnt sich mit dem Rücken an den Kühlschrank und sieht dabei zu, wie sie ihren Löffel ableckt. In der Schule tun er und Marianne so, als würden sie sich nicht kennen. Alle wissen, dass Marianne in der weißen Villa mit der Auffahrt wohnt und dass Connells Mutter Putzfrau ist, aber niemand weiß etwas über die besondere Beziehung dieser Fakten.

Ich hab eine Eins plus, sagt er. Was hast du in Deutsch?

Eine Eins plus, sagt sie. Prahlst du?

Du wirst sechshundert Punkte kriegen, oder?

Sie hebt die Schultern. Wohl eher du, sagt sie.

Na ja, du bist klüger als ich.

Mach dir nichts draus. Ich bin klüger als alle.

Jetzt grinst Marianne. In der Schule trägt sie offene Verachtung für die anderen zur Schau. Sie hat keine Freunde und verbringt ihre Mittagspausen allein mit Lesen. Viele hassen sie aufrichtig. Ihr Vater starb, als sie dreizehn war, und Connell hat gehört, sie sei jetzt psychisch krank oder so ähnlich. Es stimmt, sie ist die klügste Person in der Schule. Es graut ihm davor, mit ihr allein zu sein, so wie jetzt, aber er ertappt sich auch dabei, wie er sich ausmalt, er würde etwas zu ihr sagen, das sie beeindruckt.

In Englisch bist du nicht Klassenbeste, gibt er zu bedenken.

Gleichgültig fährt sie sich mit der Zunge über die Zähne.

Du könntest mir ja Nachhilfe geben, Connell, sagt sie.

Er merkt, dass er heiße Ohren bekommt. Wahrscheinlich ist es nur so dahingesagt,