: Martin Mickan, Jonas Bewilogua
: Alles für die Katz
: Ach je Verlag
: 9783958695283
: 1
: CHF 2.50
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 344
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Soll es das sein? Alex hadert mit seinem Schicksal. Ein Unfall machte ihn zum Grenzgänger, für den niemand mehr zuständig sein mag. Neben den Zumutungen von Ämtern, Rehabilitationsmaßnahmen und der Liebe landet seine Geschichte immer wieder bei Erinnerungen an seinen verstorbenen Vater. Was bleibt, ist der Humor und die Kunst. Nach einem Unfall ist Alex arbeitsunfähig. Es folgt die deutsche Zumutung von Ämtern, Reha-Maßnahmen und Behindertenwerkstätten. Ein biografischer Roman um Gerechtigkeit, Liebe und den eigenen Wert in der Gesellschaft.

Jonas Bewilogua: geboren 1989 in Leipzig. Bis zu seinem Unfall Studium der Theaterwissenschaft in Leipzig. Weiterhin als Schauspieler in verschiedenen Theatergruppen aktiv. Martin Mickan: geboren 1983 in Bautzen. Studium der Amerikanistik und Deutsch als Fremdsprache in Leipzig. Arbeitet seit 2012 als freier Dozent für Deutsch als Fremdsprache in Sachsen.

Macken

Jedes Mal, wenn ich meine Wohnung verlasse, drücke ich nach dem Zuschließen noch einmal gegen die Tür. Ich möchte sichergehen, dass sie auch wirklich zu ist. Manchmal muss ich den Schlüssel ein weiteres Mal ins Schloss stecken, um zu prüfen, ob die Tür tatsächlich zweimal abgeschlossen ist. Das macht mich verrückt und ich fluche über mich selbst, aber es bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Mich traktiert eine Unruhe wie ich sie früher nur vor einer Klausur oder dem Auftritt im Theater kannte.

Mittlerweile verschwindet meine Unsicherheit über die nicht abgeschlossene Tür auch nicht mit der ersten Kontrolle. Ich muss den Vorgang des Drückens und Abschließens mehrmals wiederholen. Es ist furchtbar lästig. Gilt dieses Verhalten bereits als »behindert«, frage ich mich dann. Oder ist das »nur« eine Beeinträchtigung? Wann wird aus einem Verhalten eine Beeinträchtigung und daraus eine Störung und daraus wiederum eine Behinderung? Wo verläuft die Grenze? Ab wann ist man »nicht mehr normal«?

»Normal ist, was alle machen.«, behauptet Anton.

»Das klingt beängstigend,«, antwortete ich.

»Ja, vielleicht. Aber so ist die Welt nun mal.«

Und während ich darüber nachdenke, wie »nicht normal« mein Verhalten ist, schließe ich die Tür noch einmal auf, um zu kontrollieren, ob ich in der Wohnung wirklich alles ausgemacht habe. Dann überprüfe ich den PC, das Licht im Bad, den Fernseher und sogar das Radio, das sowieso nur äußerst selten benutzt wird. Ich achte darauf auch, meine Katze Juli in den Blick zu bekommen und mich ein weiteres Mal gebührend von ihr zu verabschieden.

Juli kennt den Ablauf mittlerweile. Bei meinem Hereinpoltern kippen ihre Ohren nach hinten und sie wirft mir einen genervten Blick zu. Wahrscheinlich schnurrte sie zufrieden, den Alten endlich fort zu wissen, als plötzlich die Tür wieder aufplatzt und das Abklappern der Wohnung ihre begonnene Mußestunde unterbricht. Will ich ihr im Vorbeihuschen den Kopf tätscheln, zieht sie ihn ganz gegen ihre Gewohnheit weg und fährt stattdessen ihre Krallen aus.

»Es ist alles gut hier! Geh endlich du Depp!«, scheint sie zu sagen.

Vielleicht will sie mich packen, um mir eine zu verpassen. Um mich wieder zur Besinnung zu bringen. Schläge auf den Hinterkopf sollen schließlich das Denken fördern. Ich hätte da so einige Beweise, die das widerlegen könnten. Aber Katzen gelten ja als unbelehrbar.

Meine Macken sind stärker als Juli. Ich schimpfe erst leicht mit ihr, weil ich jedes Mal über ihre Reaktion erschrecke, entschuldige mich aber dafür und für den ganzen anderen Blödsinn. Dann verschwindet sie und sucht Ruhe unter dem Bett.