3
Wahrscheinlich hat das Dach nachgegeben, dachte Hanna. Alles, was sie besaß, war nur noch Schutt und Asche, und sie hatte kein Zuhause mehr. Schnell presste sie sich die Sauerstoffmaske ins Gesicht, damit sie nicht sprechen musste.
»Weißt du, wer dahinterstecken könnte?«, fragte Erik noch einmal.
Hanna schüttelte heftig den Kopf. Sie konnte es ihm nicht sagen. Nicht hier, nicht jetzt. Aber es gab nur einen Menschen, der infrage kam.
Sie schloss die Augen, aber dann hatte sie sofort wieder Kristoffer vor Augen. Begleitet von den Gefühlen des Traums, aus dem der Brand sie gerissen, die sie aber dennoch nicht hatte auslöschen können.Ich war dabei, als Ester Jensen starb. Wie hatte Kristoffer sie all die Jahre anlügen können? Seinetwegen hatte sie alles angezweifelt, was ihr Vater ihr je bedeutet hatte. Sie schlug die Augen wieder auf.
»Ich schätze, Sie gehen jetzt besser«, sagte die Sanitäterin.
»Ich ruf dich morgen früh an«, sagte Erik.
Hanna nickte. Kaum war er fort, nahm sie die Sauerstoffmaske ab. Die Sanitäterin war vielleicht dreißig. Sie hatte die Haare zu einem Dutt hochgesteckt, an der Halsseite waren ein paar chinesische Zeichen eintätowiert. Hanna legte die Hand auf ihre eigene Tätowierung. Die Nachtigall an ihrem linken Unterarm.
»Haben Sie Schmerzen?«, fragte die Sanitäterin.
»Nein«, sagte Hanna und ließ die Hand wieder sinken.
Ihre Großmutter hatte ihr eine Nachtigall aus Holz geschenkt und ihr erzählt, dass der Vogel sie vor Albträumen schützen würde. Hannas Nächte waren davon geprägt gewesen, nachdem sie mit zwölf ihre Mutter an den Krebs verloren hatte. Die Nachtigall hatte im Schlafzimmer auf der Fensterbank gestanden. Wieso hatte sie die nicht mitgenommen, bevor sie gesprungen war? Jetzt war auch sie verloren.
»Wie geht es Ihnen denn insgesamt?«
»Ging schon mal besser«, sagte Hanna.
»Untertreibung des Tages«, sagte die Frau und grinste.
»Nur des Tages?«
»Gestern war ich bei einem Autounfall. Der Typ ist von einem Verkehrsschild durchbohrt worden und meinte, ihm geht es hervorragend.«
»Hat er alles gut überstanden?«
»Ja, keine wichtigen Organe wurden beschädigt.«
»Und wie lautet mein Urteil?«, fragte Hanna.
»Die Lunge ist gereizt«, sagte die Sanitäterin. »Aber die Werte sind so weit zufriedenstellend. Trotzdem würde ich Ihnen raten, eine Nacht zur Beobachtung ins Krankenhaus zu gehen.«
»Nein danke.«
»Es könnte Komplikationen geben«, versuchte es die Sanitäterin.
»Nein danke«, wiederholte Hanna.
Die Lunge fühlte sich bereits besser an. So viel Rauch hatte sie gar nicht eingeatmet. Der verstauchte Fuß schmerzte, und sie hatte eine ordentliche Beule, weil sie so heftig gegen die Dachschräge gestoßen war, aber mehr auch nicht.Ichhätte sterben können. Hanna verdrängte den Gedanken.
»Aber wo wollen Sie dann hin?«, fragte die Frau. »Ihr Haus ist&nb