1. Kapitel
Wiltshire, England, August 2016
Der Sommer hielt England fest im Griff. Die Hitzewelle, unter der Europa schon seit einiger Zeit ächzte, hatte nun auch die Küsten der Britischen Inseln erreicht. Wie immer, wenn die Quecksilbersäule die Dreißigermarke erreichte, herrschte Ferienstimmung im Land – in den Parks luden Liegestühle zum Verweilen ein, Sommersprossen erschienen auf den Gesichtern, Kinder planschten in den städtischen Springbrunnen, und das unverkennbare Geräusch von nackten Füßen in Flipflops war in den Straßen zu hören.
Nicht dass Flora Sykes etwas davon mitbekommen hätte, denn das gut drei Hektar große Anwesen ihrer Familie im ländlichen Wiltshire war von einer hohen Buchenhecke umschlossen. Vor drei Stunden war sie in Heathrow gelandet, und nun lag sie bäuchlings auf einer Sonnenliege am Pool. Freddie, ihr Bruder, hatte sich bisher noch nicht blicken lassen, und ihr Vater befand sich, wenig überraschend, auf dem Golfplatz. Floras Mutter widmete sich, nachdem sie das halbherzige Hilfsangebot ihrer vollkommen erschöpften Tochter mit einem lässigen Wink abgelehnt hatte, dem Kochen von Langusten. Trotz ihrer Versuche, mit der Plastiktüte, in der sie steckten, über den Küchentresen davonzukriechen, landeten sie am Ende alle in dem großen Topf.
Flora hatte eigentlich ein Buch lesen wollen, da einer ihrer Vorsätze fürs neue Jahr lautete: weniger Arbeit, mehr Muße. Aber ihr Vorhaben, die Bestsellerliste abzuarbeiten, war bisher kläglich gescheitert. Sie wäre schon froh, wenn es ihr gelingen würde, Titel Nummer eins – im Januar gekauft und bisher nur zu einem Drittel gelesen – in absehbarer Zeit zu Ende zu lesen. Doch das Problem war das Adrenalin, das durch ihre Adern rauschte. Lange, intensive Arbeitsphasen, durchsetzt von kurzen Episoden völliger Erschöpfung, die nie zum Auftanken reichten. Da blieb herzlich wenig Zeit für Freizeitaktivitäten wie Lesen.
Diese Woche war ein Paradebeispiel: Montags war sie in Palm Beach aufgewacht, am Mittwoch in Chicago, und gestern hatte sie ein Meet and Greet in Manhattan eingeschoben, ehe sie – noch im Cocktailkleid – zum FlughafenJFK geflitzt war, um ihren Flug nach Heathrow zu kriegen.
»Ein Tässchen Tee, Schatz?« Die Stimme ihrer Mutter drang wie durch Watte in Floras schläfriges Gehirn, dazu vernahm sie das Geräusch von Porzellan auf Kalksteinplatten. »Du solltest dir die Schultern eincremen, Liebling, die sind schon rosa.«
Eine warme Hand berührte prüfend ihre Haut.
Als Flora verschlafen den Kopf hob, fielen ihr die butterblonden Haare ins Gesicht