Prolog
Cornwall
Rose blinzelte gegen die blendende Sonne. Den ganzen Vormittag hatte es unentwegt genieselt, und ein feuchter Schleier hatte schwer über der Landschaft gelegen, doch pünktlich zum Nachmittagstee hatte das Wetter endlich Erbarmen gezeigt. Der grau verhangene Augusthimmel war einem wolkenlosen Blau gewichen, das die Blütenpracht der Gärtnerei von Blooming Hall zum Leuchten brachte.
Lilian und Nara, die älteste und die jüngste Tochter, hatten sich den ganzen Vormittag in der Küche eingesperrt, um ihrer Mutter Rose zum fünfundachtzigsten Geburtstag ein exquisites Festmahl aufzutischen. Den zarten Lammbraten mit gedünsteten Karotten und Rosenkohl hatten sie im Salon des alten Herrenhauses gegessen, danach waren sie auf die Terrasse gewechselt. Die Festtafel hätte einem Fünf-Sterne-Restaurant jede Ehre gemacht.
Lilian hatte zur Feier des Tages die weiße Tischdecke von Alberts Mutter aus dem Schrank geholt. Filigrane Stickereien umrahmten den edlen Stoff aus dickem Leinen. Das elegante Stück war älter als Rose selbst, doch wer wusste schon, wie viele Geburtstage ihr noch vergönnt sein würden. Man musste die Feste feiern, wie sie fielen, gerade in ihrem Alter.
Wehmut stieg in Rose auf, denn es war ihr erster Geburtstag ohne ihren geliebten Mann Albert. Wochenlang hatte sie sich vor dem heutigen Aufwachen gefürchtet. Sie hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn er ihr nicht das Geburtstagsfrühstück ans Bett brachte, wie er es jahrzehntelang getan hatte, und wenn sie zum ersten Mal diesen besonderen Tag ohne seine zärtliche Umarmung beginnen musste. Albert fehlte ihr unendlich. Jeden Tag, jede Stunde, j