1.Mehr als genug
»Hör auf jetzt, mehr gibt’s nicht!«
»Geh, jetzt stell dich halt nicht so an!«
Verschwitzte Hände drückten Colina gegen die Bretterwand. Sie spürte einen Balken im Rücken, die Kante schnitt in ihre Haut. Gollhubers Wanst presste sich gegen sie. Sie schob Gollhubers Schultern von sich weg, was er in seinem Suff wahrscheinlich nicht einmal bemerkte. Sein Mund saugte an ihrem Hals, eine Hand vergrub sich ungeschickt in Colinas Mieder. Gesprungene Fingernägel kratzten über die Haut ihrer Brüste.
Gott, wie er roch!
Ein Bild stieg in ihr auf. Ein anderer Mund, andere Hände. Sie schob es zurück in die Finsternis, aus der es aufgestiegen war, schloss die Augen und duldete die fleischigen Lippen, die ihren Mund suchten. Eine Zunge schob sich zwischen ihre Zähne und mit ihr ein Geschmack, der gleichzeitig süßlich war – Bier – und ein wenig ranzig wie Öl.
Maxi, dachte sie.
Als Gollhubers andere Hand anfing, ihren Rock in die Höhe zu raffen, schlug Colina ihm auf die Finger.
»Ich hab’ gesagt, jetzt ist Schluss!« Sie wollte sich aus seinem Griff winden. Er hielt sie allein schon mit seinem Ranzen an Ort und Stelle.
»Komm jetzt. Tu nicht so prüde.« Er lallte so, dass Colina ihn kaum verstand. »Kriegst noch eine Mark obenauf, wenn ich darf.«
»Du hast schon mehr gehabt als genug!«
Wahrscheinlich hätte Colina ihn einfach weitermachen lassen sollen. Die Chancen, dass er beim Versuch, seinen Hosenstall aufzuknöpfen, das Gleichgewicht verlor, umkippte und auf dem Stroh im Schuppen einschlief, standen nicht einmal schlecht.
Und selbst, wenn nicht. Zwei Mark waren viel Geld, und es war ja nicht, als ob es für Colina etwas Neues gewesen wäre, mit einem von Lochners Gästen im alten Schuppen hinter dem Wirtshaus zu verschwinden.
Wenn Gollhuber nur nicht so entsetzlich gestunken hätte! Nach Schweiß, nach Fett, nach billigen Zigarren, nach Schnaps und nach Bier. Vor allem nach Bier. Dazu das faulige Stroh auf dem Boden, auf dem heute wahrscheinlich auch schon Lochner und Johanna, und Louise und Fonshofer …
Er stank, wie Rupp gestunken hatte. Der Gedanke gab Colina die Kraft, Gollhuber trotz dessen Gewichts von sich wegzustoßen. Er taumelte, stolperte fast rückwärts über einen alten Melkschemel, hielt sich aber auf den Füßen.
»Schluss und aus!«, wiederholte Colina. »Wenn du dir nichts sagen lassen kannst, dann kriegst halt gar nichts. Dann brauch ich dein Trinkgeld nicht.«
»Das kannst dir eh malen, du blöde Urschel!« Gollhuber wollte wütend zur Tür herumfahren, torkelte dafür aber zu stark. Sein Gewicht zog ihn immerhin in die richtige Richtung, der Türstock verhinderte, dass er fiel. »Was meinst denn du, was du für eine bist? Erst die Zähn’ lang machen und dann die Mimose spielen! Wart nur, der Lochner is’ ned die einzige Wirtschaft in München.«
Beim zweiten Versuch gelang es ihm, den Riegel zurückzustoßen und die Tür aufzureißen. Er taumelte in den nachtdunklen Hof hinaus.
»Probier’s bei der Gerdi in der Müllerstraß’!«, rief Colina ihm hinterher. »Und einen schönen Gruß an die Frau Gemahlin!«
Sie wischte sich mit dem Handrücken die Mundwinkel; dann schob sie ihre Röcke wieder zurecht und ließ sich einen Moment auf den Schemel sinken, um in Ruhe ihre Bluse wieder über die Schultern emporzuziehen und sich das Mieder zuzuknöpfen.
Die Müdigkeit sprang sie an wie ein Tier. Seit vierzehn Stunden war sie heute auf den Be