: Anne Labus
: Die kleine Töpferei im Glück
: Aufbau Verlag
: 9783841228857
: Kleeblatt-Träume
: 2
: CHF 3.30
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 312
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Moya liebt ihre Arbeit als Töpferin. Doch als ihr Bruder Aidan plant, den Betrieb auf industrielle Fertigung umzustellen, erwägt sie den Schritt in die Selbständigkeit. Ihr Kollege Robin, der schon lange heimlich in Moya verliebt ist, bestärkt sie in ihrem Beschluss.

Mit ihrem Zwillingsbruder Liam und ihrem Rauhaardackel Mr. Miller reist sie in das beschauliche Busby. Vom ersten Augenblick an spürt sie eine Verbundenheit mit diesem Ort und seinen warmherzigen Bewohnern. Auf einer Wanderung entdeckt sie ein verlassenes Cottage mit einer stillgelegten Töpferei und ist sofort von diesem geheimnisvollen Ort gefangen. Sie wird hier einen Neuanfang wagen! Sie bittet Robin, ihr bei der Renovierung der alten Töpferei zu helfen. Doch als Robins Mutter erkrankt drohen alle Pläne zu zerbrechen ...



Anne Labus, Jahrgang 1957, lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Udo Weinbörner, in der Nähe von Bonn. Nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau arbeitete sie unter anderem als selbständige Fitness- und Pilatestrainerin. Die Leidenschaft für das Reisen hat sie an ihren Sohn vererbt, der auf Hawaii seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Die Autorin entspannt sich beim Kochen, liebt Bergtouren und lange Strandspaziergänge. Inspirationen für ihre Romane findet sie in Irland und Italien oder auch auf Spiekeroog.

Kapitel 1


Sie knallte den Tonklumpen auf den rotierenden Scheibenteller, dass der Schlicker nur so spritzte. »Macht doch alle, was ihr wollt«, schrie sie wutentbrannt. Mit eisernem Griff umfasste Moya den Ton mit beiden Händen, zwang ihn in die Mitte der Scheibe. Dann drückte sie ihre Daumen hinein und brach den Ton auf. Sie zuckte kurz zusammen, als das schwere hölzerne Rolltor hinter ihr zur Seite geschoben wurde. Überzeugt davon, dass es nur Aidan sein konnte, mit dem sie sich heftig gestritten hatte, brummte sie, ohne aufzusehen. »Was willst du noch?«

»Reagierst du deinen Frust wieder mal am Ton ab?«, fragte ihr Zwillingsbruder Liam mit weicher Stimme.

Moya zuckte mit den Schultern. »Heute gelingt mir sowieso nichts mehr.« Sie fuhr mit dem Schneidedraht unter den Tonzylinder, um ihn vom Scheibenteller zu lösen. »Warst du schon in der Höhle der Löwen?« Sie betätigte den Ausschalter mit dem rechten Knie. Augenblicklich stoppte die Scheibe in ihrer Bewegung. Moya entsorgte ihr Werk in einem Eimer, wusch sich die Hände nachlässig in einem kleinen Topf Wasser, der auf der Fensterbank stand, und wischte sie an der Schürze ab. Ihr Bruder lehnte entspannt am Rolltor.

»Komm her, Lieblingsbruder. Ich brauche dringend eine Umarmung.« Sie kletterte vom hohen Drehstuhl und eilte zu ihm.

Doch Liam hielt sie mit ausgestrecktem Arm auf Abstand. »Sobald du deine Arbeitskluft abgelegt hast. Oder möchtest du mein neues Outfit ruinieren?«

»Auf keinen Fall.« Moya legte den Kopf schief und beäugte seine hautenge schwarze Designerjeans, zu der Liam einen grauen Kaschmirpullover trug. »Gefällt mir. Hast du die entworfen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, marschierte sie aus der Werkstatt in den angrenzenden Umkleideraum. »Der Letzte macht das Licht aus«, rief sie über ihre Schulter.

»Auch darin sind wir zwei uns ähnlich«, stellte er schmunzelnd fest. »Wir sind am produktivsten, wenn die anderen schon längst Feierabend haben. In meinem Atelier geht es nicht anders zu als hier in der Werkstatt – wie in einem Bienenstock. Tagsüber kann ich bei all dem Gewusel nur die Routinearbeit erledigen. Zum kreativen Schaffen brauche ich die Einsamkeit.«

Moya hängte ihre mit Ton beschmierte Schürze an einen Nagel und eilte in die offenen Arme ihres Bruders. »Du fehlst mir, Liam«, seufzte sie. »Ohne dich fühle ich mich halb.« Sie kuschelte sich an seinen flauschigen Pullover.

Er nahm ihr die Schlägerkappe vom Kopf und fuhr mit den Fingern durch ihre roten Locken. »Was bedrückt dich wirklich, Schwesterchen? Schließlich hast du mich erst letztes Wochenende in Dublin besucht.«

»Hat dir Aidan nichts gesagt?« Moya kauerte sich auf die Holzbank vor dem Spind und musterte ihn.

Ihr Bruder ging vor ihr in die Hocke. »Nicht direkt. Nur irgendwas von einer dringend notwendigen Fusion. Die Töpferei schreibt wohl momentan rote Zahlen.« Er fasste unter ihr Kinn, hob es sanft an und schaute ihr fest in die Augen. »Darüber können wir später sicher noch ausführlich reden. Momentan interessiert mich etwas ganz anderes. Gibt es einen neuen Mann in deinem Leben? Ich würde mich für dich freuen.« Er erhob sich und setzte sich neben sie.

»Ach, Li.« Moya schniefte. »Im Moment habe ich wirklich andere Probleme. Unser Bruder plant allen Ernstes die Fusion mit dem größten Souvenirhändler Irlands.«

»Das hört sich doch sehr vernünftig an. Ihr müsst euch den Absatzmarkt nicht länger mühsam erschließen. Eure Ware landet automatisch in jedem Souvenirshop der Insel.«

Moya zerrte eine Jeans und ein Sweatshirt aus dem Spind, zog ihre staubige Werkstattkleidung aus, schlüpfte in die saubere Alltagskleidung und stieg in ihre Sneakers. »Die Sache hat nur einen riesigen Haken«, knurrte sie. »Aidan will weg von der Handarbeit. Er plant eine Gießstraße. Massenproduktion!« Die letzten Worte spie sie förmlich aus. »Wenn Dad noch leben würde, hätte er das nie zugelassen.«

Liam stellte sich neben sie. Er legte einen Arm um ihre Schultern und schlug vor: »Du kannst doch deine handgefertigten Stücke weiterhin herstellen. Bau eine eigene feine Linie auf. Mach es wie ich. Meine Mode verkauft sich nur so gut, weil ich ausgefallene Einzelstücke kreiere, keine Durchschnittsware.«

Moya schüttelte seinen Arm ab, schaute ihm fest in die Augen. »Dann hilf mir, Aidan und Ma zu überzeugen. Allein schaffe ich das nicht.« Sie griff nach seinen Händen. »Bitte, Li.«

Ihr Bruder lächelte sie aufmunternd an. »Versuchen kann ich es ja. Aber du weißt schon, wie hartnäckig Aidan verhandelt. Dad hat ihm nicht ohne Grund die Leitung der Firma übertragen, bevor er starb.«

»Ich werde den Teufel tun und etwas gegen Dads Entscheidung sagen. Aidan war und ist der richtige Mann für den Job. Aber heute geht es nicht nur um Zahlen, es geht um den Fortbestand einer der ältesten Keramikfirmen Irlands. Wir haben einen Ruf zu verlieren.« Moya schob ihn vor sich her aus der Umkleide, löschte das Licht und schloss die Tür ab. Sie hatte sich in Rage geredet. Ihr Gesicht glühte, und wie stets, wenn sie angespannt war, verkrampften sich ihre Armmuskeln. »Wir beide …« Sie griff nach Liams Hand und drückte sie fest. »… haben nicht nur Dads große Statur, seine roten Haare und die grünen Augen geerbt. Er hat uns auch die Liebe zum Schöpferischen, zur Handwerkskunst weitergegeben. Aidan ist Kaufmann durch und durch. Das Töpferhandwerk hat er nur erlernt, weil er musste. Er hat den Geschäftssinn unserer Mutter.«

»Entspann dich, Mo.« Ihr Bruder strich ihr über die Unterarme. »Noch ist nichts entschieden.«

»Gehen wir noch ein paar Schritte durch den Park?« Moya bog auf den schmalen Kiesweg ein, der vom Firmengelände zur Villa führte.

Ihr Bruder legte den Arm um ihre Taille. »Erinnerst du dich noch, wie wir dort in der alten Kastanie unser Baumhaus gebaut haben?«

»Im Teepavillon am Teich hast du deine erste Freundin geküsst«, sagte Moya und lächelte. »Ich habe Schmiere gestanden, damit Aidan nichts davon mitbekam.«

»Der hatte es wirklich nicht leicht mit uns. Zwölf Jahre lang war er der Prinz in der Familie, das verwöhnte Einzelkind. Und als keiner mehr damit gerechnet hat, wird Ma wieder schwanger. Erst neulich hat er gesagt …« Liam veränderte seine Stimmlage: »Von unserer Verwandtschaft habe ich damals nur noch die Hinterteile gesehen. Die hingen mit ihren Köpfen ständig in eurer Wiege. Ich war abgemeldet.«

Moya schüttelte sich vor Lachen. »Wenn ich die Augen schließe, habe ich das Gefühl, Aidan spricht.«

»Aber mal im Ernst, Mo.« Ihr Bruder fasste sie sanft am Arm, führte sie auf den breiten Zufahrtsweg zur Villa. »Zügle gleich dein Temperament und gib Aidan die Chance, seine Pläne zu erläutern. Du erreichst nichts bei ihm, wenn du deinen Dickschädel durchsetzen willst. Im Grunde genommen liebt er dich heiß und innig.«

»Ach ja? Warum hat er mir dann vorhin im Büro gesagt, ich solle mich nach anderen Räumlichkeiten umsehen? Mein Kunstkram, so seine Worte, passe nicht mehr in unser neues Konzept«, schnaubte Moya.

»Beruhige dich!« Liam knuffte sie in die Seite und deutete auf die Villa. Aidan stand in der offenen Tür. »Sicher bereut er längst, was er gesagt hat.«

»Mmh.« Sie schnaubte. Einen Versuch war es wert. Sie setzte ihr schönstes Lächeln auf und eilte die acht Stufen zum Eingangsportal empor. »Du hast dich ja so fein gemacht, großer Bruder. Neuer Anzug?« Sie küsste den um einen halben Kopf kleineren Aidan auf die Wange. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern hatte er den untersetzten Körperbau und die schwarzen Haare ihrer Mutter geerbt.

Er schmunzelte und strich sich über die graue Weste. Anscheinend hatte ihr Kompliment seine Wirkung nicht verfehlt. »Wäre schön, du könntest dich vor dem Essen auch umziehen. Wir erwarten Gäste.«

Hinter ihm tauchte das Gesicht ihrer Mutter auf. Hester O’Grady, die zweiundsechzigjährige Witwe von Bruce O’Grady, streckte die Arme aus und strahlte sie an. »Meine Zwillinge, mal wieder Seite an Seite.« Sie küsste zuerst Liam, dann Moya auf die Wange und zog sie in den Flur. »In einer halben Stunde wird das Essen serviert. Macht euch doch in der...