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Johannes Lund beobachtete seinen Kollegen, der gerade die Brust vorschob und seinen Rücken streckte, und fragte sich, ob er sich wohl zuerst räuspern oder die Brille abnehmen würde. Langsam beugte Oscar sich über den Tisch, als wollte er den drei Richtern so nah wie möglich kommen. Er setzte die Brille ab, fixierte jeden Richter mit dem Blick und räusperte sich dann lautstark, um ihre volle Aufmerksamkeit zu erhalten.
Johannes hatte lange an diesem Schlichtungsverfahren gearbeitet. Und es war gelinde gesagt anstrengend gewesen, was an Oscars Minimaleinsatz lag. Eigentlich hätten sie sich den Fall teilen sollen.
»Wann haben Sie angefangen mit … mit …« Seine Stimme zitterte. Oscar verstummte, räusperte sich und trank einen Schluck aus seinem Wasserglas. Dann holte er tief Luft und blickte auf seine Notizen. Johannes ertappte sich dabei, wie er wegen Oscars Stotterei eine gewisse Schadenfreude empfand.
»Wann haben Sie Ihre Beratertätigkeit für Blancet aufgenommen?«
Johannes hatte an dieser Zivilsache von Anfang bis zum Ende gearbeitet, während Oscar sich damit entschuldigt hatte, anderweitig viel zu tun zu haben. Die Kollegen hatten Johannes vor ihm gewarnt und erzählt, dass sich Oscar in Fälle einnistete, dann aber zusah, dass andere die Arbeit erledigten. Normalerweise ließ Johannes sich nicht so ohne Weiteres vereinnahmen, doch aus irgendeinem Grund war es bei diesem Fall genauso gelaufen. Und nun stand Oscar da und bestritt die halbe Befragung des Mandanten vor dem Schiedsgericht.
Im Konferenzsaal war es unerträglich warm. Obwohl es erst Ende Mai war, herrschte seit einigen Tagen eine frühe Hitzewelle. Die Rezeptionistin hatte erklärt, dass es Probleme mit der Klimaanlage gebe, und versichert, dass der Hausmeister unterwegs sei.
Oscar fuhr fort, seine Fragen zu stellen, und der Mandant antwortete kurz und präzise, genau wie Johannes es ihm geraten hatte.
Seit fast einem Jahr arbeitete er jetzt bei Svärdh& Partner. Vorher war er in einer reinen Zivilrechtskanzlei gewesen, hatte sich dann aber für einen Wechsel entschieden, als er ein lukratives Angebot erhielt. Es gefiel ihm, auch wenn die Kanzlei für seinen Geschmack etwas zu groß war.
Eigentlich hatte er sich immer als Strafverteidiger gesehen. Zu Beginn seines Jurastudiums hatte er sich besonders für Strafrecht interessiert. Er wollte denjenigen helfen, die auf die schiefe Bahn geraten waren. Es war ihm gelungen, einen Traineejob in einer renommierten Strafrechtskanzlei zu ergattern, und sein Mentor Leif Aronsson war ein Staranwalt. Johannes hatte enorm viel gelernt. Er hatte dort in dem Glauben begonnen, dass alles, was ihm selbst widerfahren war, ihn abgehärtet habe. Doch er hatte sich geirrt. Die Schicksale der gescheiterten Menschen gingen ihm sehr nahe. Es hatte ihm beispielsweise sehr zugesetzt, als es ihm nicht gelungen war, einen jungen Mann über Weihnachten aus der Untersuchungshaft zu bekommen. Ebenso schwer fiel es ihm, sich das ganze Elend mit ansehen zu müssen. Eltern, die immer wieder im Gefängnis landeten und dennoch das Sorgerecht für ihre Kinder behielten. Und der Anblick von leidenden Kindern weckte viel zu viele Erinnerungen.
Das Jurastudium hatte er als eine Möglichkeit gesehen, die Vergangenheit hinter sich