: Nicole Jordan
: Verhängnisvolle Verlockung Roman
: Heyne
: 9783641039837
: Courtship Wars
: 1
: CHF 6.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 416
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Demütigung, die sie einst erfuhr, kann Eleanor Pierce nicht vergessen: Ihr Verlobter Damon Staffor betrog sie mit seiner ehemaligen Geliebten. Zwei Jahre ist der Vorfall nun her - da trifft Eleanor Damon mitten in London wieder. Und noch immer fühlt sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Ein gefährliches Spiel der Leidenschaft beginnt ...

Nicole Jordan ist eine äußerst erfolgreiche Autorin historischer Liebesromane. Ihre Bücher erscheinen regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Nicole Jordan schreibt und wohnt mit ihrem Mann und ihren Pferden, der zweiten großen Liebe ihres Lebens, in Utah.
London, September 1817
»Eleanor, meine Liebe, das Fürchterlichste, was geschehen konnte, ist eingetreten! Wrexham ist hier.«
Lady Eleanor Pierce, die am Rande des überfüllten Ballsaals stand, erstarrte angesichts der verstörenden Nachricht ihrer Tante. »»Hier? Heute Abend? In Carlton House?«
»Aber ja! Seine Ankunft wurde soeben verkündet .« Eleanors Tante und Anstandsdame, Lady Beldon, blickte äußerst missmutig drein. »Welch eine Dreistigkeit von ihm! Er sollte den Anstand besitzen, Rücksicht auf deine zarten Gefühle zu nehmen.«
Eleanor stimmte zu, dass Damon Stafford, Viscount Wrexham, der dreisteste Gentleman war, den sie kannte. Ihre zarten Gefühle indes waren gegen ein Wiedersehen mit ihm gewappnet - oder zumindest hatte sie es bis zu diesem Moment geglaubt.
Eleanor lächelte, um gefasst zu erscheinen und ihr allzu schnell pochendes Herz zu beruhigen. »Ich würde meinen, Lord Wrexham hat ein Recht, Prinnys Ball zu besuchen, Tante Beatrix. Zweifellos erhielt er, wie wir, eine Einladung.«
George, Prince of Wales und gegenwärtiger Regent Englands, lud regelmäßig in seine prächtige Londoner Residenz, Carlton House. Und manchmal stand Lady Beldon auf seiner Gästeliste, weil ihr verstorbener Gatte ein enger Jugendfreund des Regenten gewesen war.
Heute Abend drängte sich eine gleichermaßen elegante wie illustre Gästeschar in dem überheizten Herrenhaus. Ein Blick durch den Saal jedoch sagte Eleanor, dass der charmante Lebemann, der einst ihr Herz eroberte und dann darauf herumtrampelte, nirgends zu sehen war.
»Es ist unnötig, dass du dich echauffierst«, murmelte Eleanor, die sich ihre Erleichterung nicht anmerken ließ. »Wrexham steht es frei, sich in der Gesellschaft zu bewegen, wie immer es ihm gefällt.«
Ihre Tante Beatrix sah sie streng an. »Du willst ihn hoffentlich nicht in Schutz nehmen, nachdem er dich abscheulich behandelt hat.«
»Nein, gewiss nicht. Doch ich bin durchaus einer Begegnung mit ihm gewachsen, denn über kurz oder lang ließe sie sich nicht vermeiden. Er ist seit einer Woche in London, und wir bewegen uns in denselben Kreisen.«
Lady Beldon schüttelte den Kopf, bevor sie ihre Nichte besorgt ansah. »Vielleicht sollten wir gehen, Eleanor. Ich entschuldige uns bei Prinny und
»Ich hege keineswegs die Absicht, vor Lord Wrexham davonzulaufen, liebe Tante.«
»Dann halte dich bereit. Er könnte jeden Moment erscheinen.«
Eleanor nickte und atmete tief ein. Sie war so bereit, wie sie es nur sein konnte, den teuflisch charmanten Adligen wiederzusehen, der ihr Verlobter gewesen war.
Seit Tagen war sie vorgewarnt, dass Damon nach zweijähriger Abwesenheit wieder nach London zurückgekehrt war. Die Freundinnen ihrer Tante nämlich waren überaus bemüht, ihr den neuesten Klatsch zuzutragen. Folglich hatte Eleanor sich sorgfältig überlegt, was sie zu ihm sagen und wie sie sich verhalten würde. Sie würde sich vornehm, kühl und gänzlich gleichgültig geben, angemessen höflich, aber mehr auch nicht.
»Ich bin sehr wohl imstande, ihm mit Gelassenheit zu begegnen«, beteuerte sie. Leider straften die Schmetterlinge in ihrem Bauch sie Lügen.
Und zu allem Überfluss glaubte Tante Beatrix ihr nicht, die seiner Lordschaft bis heute nicht verziehen hatte. »Nein, meine Liebe, du solltest nicht gezwungen sein, diesen Schurken zu ertragen. Wäre er ein wahrer Gentleman, hätte er den Anstand besessen, diesem Ball fernzubleiben.«
»Er ist allen Bällen ferngeblieben«, erwiderte Eleanor gereizt. »Und das zwei Jahre lang.«
»Sei es drum, aber das war nicht lange genug! Vielmehr denke ich, er sollte ganz aus der feinen Gesellschaft verbannt werden.«
Bedauerlicherweise dürfte Damons Vergehen kaum eine solch harte Strafe rechtfertigen, dachte Eleanor. »Ich vermute, dass ein Bann etwas zu weit ginge, teure Tante.«
»Ginge er mitnichten. Und ich werde mir niemals verzeihen, dich mit dem verschlagenen Unhold bekanntgemacht zu haben.«
»Dich trifft keine Schuld. Zudem hast du uns eigentlich nicht vorgestellt, wie du sicher erinnerst.«
Ihre Tante winkte elegant ab. »Wrexham hat dich bei meiner jährlichen Hausgesellschaft kennengelernt, was dasselbe ist wie ein Bekanntmachen. Hätte ich ihn nicht in unserem Haus empfangen, wärst du nie der Verletzung und Lächerlichkeit ausgesetzt worden. Aber er war ein Freund von Marcus. Wie sollten wir erahnen, dass er sich als ein solcher Libertin erweist?«
Ja, wie?, fragte Eleanor sich.
Ihr geliebter großer Bruder hatte eine sehr hohe Meinung von Damon gehabt, bis es zur ereignisreichen Auflösung der Verlobung kam - wie sie ebenfalls. Mit seinem umwerfenden Aussehen und seinem skrupellosen, leichtsinnigen Charme verkörperte Damon die wilden Fantasien einer jeden jungen Frau, und den Alptraum einer jeden Mutter oder Anstandsdame.
Was mütterliche Qualitäten betraf, war Beatrix Attree, Viscountess Beldon, denkbar spärlich gesegnet. Dennoch hatte sie die damals erst zehnjährige Eleanor nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen und war seitdem ihre Anstandsdame. Und Beatrix liebte Eleanor genau so, wie sie überhaupt jemanden lieben konnte.
Ihre Ladyschaft war durch und durch Aristokratin mit sehr klaren Vorstellungen, was sich ziemte und was nicht. Anfänglich hatte sie Lord Wrexham trotz des Rufes, der ihm vorauseilte, manches nachgesehen, weil er einen illustren, jahrhundertealten Titel trug und noch vermögender war als ihre Nichte.
Eleanor selbst scherte sich herzlich wenig um Damons Titel oder Reichtum. Sie war schlicht von ihm fasziniert gewesen. In dem Moment, in dem sie einander erstmals begegneten, hatte es sie wie ein Blitz getroffen, und sie fühlte sich auf eine Weise zu ihm hingezogen, wie sie es zuvor nie erlebt hatte.
Sich in ihn zu verlieben, war geradezu lächerlich einfach gewesen.
Natürlich ließe sich ihre Naivität damit entschuldigen, dass sie zu jener Zeit relativ jung war, erst neunzehn Jahre alt. Und ihr Mädchenherz sehnte sich nach einer romantischen Liebe, nach einem Verehrer, der sie fiebrig machte und ihr das Gefühl gab, begehrt zu sein. Was Damon tat.
Während der wenigen Wochen, die seine Werbung und ihre Verlobung andauerten, war sie verzaubert gewesen. Sie glaubte fest, sie beide wären füreinander bestimmt und Damon der Mann ihrer Träume. Und sie hatte erwartet - gehofft - bis ans Ende ihrer Tage als seine Ehefrau glücklich zu sein. Bis zu jenem schicksalhaften Morgen vor zwei Jahren, als sie ihn sah, wie er mit seiner wunderschönen Mätresse durch den Hyde Park kutschierte. Nicht bloß gab er sich keine Mühe, seine Affäre geheim zu halten, nein, er brüstete sich auch noch damit!
Eleanor fühlte sich so verletzt und betrogen, dass sie die Verlobung umgehend löste und schwor, nie wieder mit Damon zu tun zu haben. Er hatte ihr das Herz gebrochen, sie der Peinlichkeit ausgesetzt und überdies ihren Stolz beschädigt. Bis heute konnte sie nicht umhin, einen Anflug von Wut zu empfinden. Aber sie würde nicht feige vor einem Wiedersehen mit ihm fliehen!
»Nun«, unterbrach Lady Beldon ihre Gedanken, »wenn du partout hierbleiben willst, tätest du gut daran, Prinz Lazzara an deiner Seite zu behalten, falls Wrexham die Stirn hat, sich dir zu nähern.«
»Das werde ich, Tante. Seine Hoheit ist nur kurz einige Erfrischungen für uns holen gegangen.«
Principe Antonio Lazzara di Terrasini war ein italienischer Adliger, der in Begleitung seines älteren, entfernten Cousins, Signor Umberto Vecchi, nach England gekommen war. Letzterer wurde als Diplomat an den englischen Hof gesandt. Angeblich war der Prinz hier auf der Suche nach einer Braut und hatte Lady Eleanor in die engere Wahl gezogen.
Eleanor wusste sehr wohl, dass ihre Reize wenig mit ihrem Charakter oder gar ihrem Verstand zu tun hatten. Vielmehr war sie eine ausgesprochen gute Partie, hatte sie doch ein beträchtliches Vermögen von ihrer Mutter geerbt. Zudem war sie die Tochter eines Barons und die Schwester eines Earls, seit ihr Bruder Marcus unlängst den Titel eines Verwandten erbte.
Trotzdem hatte Eleanor noch nicht entschieden, wie ernsthaft sie wünschte, als künftige Prinzessin in Betracht gezogen zu werden. Zugegeben, er war eine angenehme Erscheinung. Stattlich, gewinnend,
charmant und witzig, noch dazu mit einer sinnlichen Stimme und dunklen Augen, war er der Inbegriff des romantischen Verehrers. Überdies war er, soweit man hörte, kein solcher Lebemann wie Damon.
Und nach ihrer desaströsen Verlobung mit Damon - gefolgt von einer zweiten, noch kürzeren, mit einem anderen Adligen kurz danach - wollte Eleanor unbedingt, dass ihre nächste tatsächlich mit einer Heirat endete. Allerdings war sie auch nur bereit, einen Mann zu ehelichen, den sie liebte und der ihre Liebe erwiderte.
In diesem Moment legte sich Stille über den Saal. Eleanor nahm an, dass Prinny mit seiner Entourage angekommen war. Als ihre Tante sich jedoch spürbar versteifte und »Wenn man vom Teufel spricht« murmelte, begriff sie, dass es nicht allein seine Königliche Hoheit war, die aller Aufmerksamkeit gefangennahm.
Damon Stafford, Viscount Wrexham, stand neben dem Regenten und zog alle Blicke, einschließlich Eleanors, auf sich.
Alsdann begannen die Gäste, sich vor Prinny zu verneigen, während Lord Wrexham die elitäre Gesellschaft gelassen musterte - und von ihr gemustert wurde.
Nur vage nahm Eleanor das aufgeregte Tuscheln der Damen wahr, das dem adligen Neuankömmling galt, denn sie war wie betäubt von dem charismatischen Damon, der den ganzen Saal mit seiner Präsenz auszufüllen schien.
Seine kantig maskulinen Züge waren noch genauso umwerfend, wie Eleanor sie erinnerte, obgleich sein Teint nach den Reisen durch Europa deutlich sonnengebräunter war. Sein Haar war dunkel, ohne den blauschwarzen Schimmer ihres eigenen, und seine Augen unter den strengen Brauen und dichten Wimpern waren nach wie vor vom tiefsten, verführerischsten Braun.
Eleanors Verstand verließ sie abrupt, als selbige Augen ihren begegneten.
So sehr sie sich auch für diesen Moment gewappnet hatte, erstarrte sie und wunderte sich, dass man gleichzeitig von Hitzewellen und Kälteschauern heimgesucht werden konnte. Zudem hatte sie auf einmal Mühe mit dem Atmen.
Ihn wiederzusehen hatte dieselbe Wirkung auf sie wie ihre erste Begegnung vor zwei Jahren: als schlüge ein Blitz aus heiterem Himmel ein.
Unwillkürlich legte sie eine Hand auf ihre Brust, um ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Was natürlich sinnlos war, zumal sie auch noch weiche Knie bekam und ihre Hände zu schwitzen begannen.
Was für eine Närrin sie gewesen war, etwas anderes zu erwarten! Kein Mann hatte sie jemals so entflammt oder solche Empfindungen in ihr auslösen können wie Damon.
Im Geiste schalt sie sich und streckte die Schultern nach hinten. Ich werde keine Szene machen, schwor sie stumm. Nicht vor all diesen Leuten.
Ein Raunen ging durch die Menge, und alle sahen zu ihr. Schließlich war allgemein bekannt, dass sie Viscount Wrexham wegen seines lockeren Lebenswandels den Laufpass gab, und nun waren sie neugierig, wie Eleanor dieses Wiedersehen aufnahm.
»Ich habe Ihnen Champagner gebracht, Donna Eleonora.«
In ihrem ganzen Leben war Eleanor noch keine Ablenkung willkommener gewesen als die samtige Stimme mit dem italienischen Akzent, die sie aus ihren Gedanken riss.
Sie wandte den Blick von Damon ab und bedachte Prinz Lazzara mit einem strahlenden Lächeln. Von der Ankunft ihres früheren Verlobten würde sie sich nicht den Abend verderben lassen.
Wenigstens heute Abend wollte sie die bittersüßen Erinnerungen an ihre glücklose Romanze weit von sich weisen.
Eleanors Entschlossenheit überdauerte beinahe zwei Stunden, bis Prinz Lazzara sie einlud, ein wenig durch den Garten zu schlendern. Froh, der Wärme und dem Gedränge in Carlton House zu entkommen, ließ Eleanor ihre Tante in der charmanten Gesellschaft des distinguierten Signor Vecchi und ging mit dem jungen Italiener hinaus.
In den höchsten Kreisen fand man Prinnys Geschmack gemeinhin fragwürdig, um es gelinde auszudrücken, aber Eleanor gab zu, dass die chinesischen Laternen im Garten etwas Märchenhaftes hatten. Das flackernde goldene Licht spiegelte sich in zahlreichen Springbrunnen und Zierteichen, was Eleanor prompt an einen anderen Abend erinnerte - und an einen anderen schimmernden Springbrunnen, der eine bedeutende Rolle in ihrer Zeit mit Damon spielte. An einem Brunnen hatte er sie erstmals geküsst.
Erst als der Prinz sie ansprach, löste sie sich aus der Erinnerung. »Warum sehen Sie immerzu auf diesen Brunnen, mia signorina?«
Ja, warum? Eleanor errötete. Sie sollte weder an Damons gestohlenen Kuss denken noch daran, dass sie ihn für seine dreiste Impertinenz in den Brunnen stieß.
»Der Anblick ist bezaubernd, finden Sie nicht?«, fragte sie harmlos.
Prinz Lazzara nickte. »In den Palastgärten bei mir zu Hause haben wir viele schöne Springbrunnen. Vielleicht haben Sie eines Tages Gelegenheit, sie zu sehen.«
Sein Lächeln deutete an, dass sich eine solche Gelegenheit ergäbe, wenn sie als seine Braut mit nach Italien käme, doch dem maß Eleanor keine allzu große Bedeutung bei. Immerhin war der Prinz bekannt für sein Talent, dem schönen Geschlecht zu schmeicheln.
»Wollen Sie mir von Ihrem Zuhause erzählen, Hoheit? Ich war noch nie in Italien, aber ich hörte, es gäbe dort sehr viele Sehenswürdigkeiten.«
Zu ihrer Erleichterung stürzte sich Don Antonio nun in einen schwärmerischen Vortrag über die Südhälfte seines Landes, die kürzlich von den herrschenden Kräften Europas zum Königreich beider Sizilien geeint wurde und deren von ihm regierter Teil am Mittelmeer lag.
Eleanor lauschte ihm höflich, allerdings nur mit einem halben Ohr, denn zu ihrem Verdruss konnte sie nicht aufhören, den Erinnerungen an Damon nachzuhängen.
Schon wenige Tage nach ihrem Kennenlernen bei ihrer Tante hatte er sich mehr Freiheiten bei ihr herausgenommen, als sie es sich jemals erträumt hätte, indem er sich einen Kuss stahl. Dass sie ihn empört in den Brunnen schubste, wo er vollständig durchnässt wurde, schien ihn auf unerklärliche Weise erst recht für sie zu begeistern.
Zwei Wochen später hatten sie sich verlobt.
Eleanor hatte da schon längst ihr Herz an ihn verloren, und das nicht weil er wohlhabend, adlig und sündhaft gut aussehend war. Auch hatte es nichts mit Damons Charme, seinem Witz oder der Mühelosigkeit zu tun, mit der er sie glauben machte, sie wäre die begehrenswerteste Frau der Welt. Was sie betörte, war, dass er sie herausforderte und sie sich bei ihm lebendig fühlte. Er linderte die Einsamkeit, die Eleanor seit ihrer Kindheit empfand.
Und sie lockte nicht bloß sein umwerfendes Aussehen, sondern vor allem die geistige Verbindung, die beinahe sofort zwischen ihnen entstand. Mit ihm konnte sie über ihre Sehnsüchte und ihre Träume sprechen, ihm ihre persönlichsten Gedanken und Geheimnisse anvertrauen.
Hingegen war Damon weit zurückhaltender gewesen, was seine eigenen Gefühle anging. Ihr war, als würde er einen Teil von sich vor der Welt, insbesondere vor ihr, verbergen.
Seinerzeit jedoch war sie zuversichtlich gewesen, die Mauern eines Tages durchbrechen zu können, die er um sich herum errichtet hatte. Und weil sie beide hinsichtlich Temperament, Witz und Leidenschaft so vollkommen zusammenzupassen schienen, war Eleanor sicher gewesen, dass der allgemein berüchtigte Herzensbrecher lernen würde, sie allein zu lieben.
Dann jedoch erfuhr sie, dass er seine langjährige Mätresse nicht aufgegeben hatte, wie er sie glauben machen wollte.
Womit er ihr Vertrauen unwiderruflich zerstört, ihren Stolz mit Füßen getreten und ihr verwundbares junges Herz gebrochen hatte.
Mit der Zeit schrumpfte ihr Schmerz zu einem bittersüßen Ziehen, das Eleanor ab und zu überkam. Heute Abend indes, als sie sich von Angesicht zu Angesicht mit Damon fand, lebte er erneut auf.
Es sollte ihr gleich sein, ob er wieder in London war oder nicht. Zwar hegte sie noch ein gewisses Maß an Wut auf ihn, doch sann sie weder auf Rache noch wünschte sie ihm Schlechtes. Stattdessen hatte sie sich gewappnet, ihm gefasst gegenüberzutreten, sollte es zu einer Begegnung kommen.
Dennoch ertappte Eleanor sich dabei, wie sie am königlichen Arm von Prinz Lazzara durch den Garten promenierte und nach dem englischen Adligen Ausschau hielt, der mit seinem Erscheinen ein solches Chaos in ihr ausgelöst hatte.
Vielleicht erschrak sie deshalb, als eine Gestalt aus dem Schatten hervortrat.
Es handelte sich um einen livrierten Diener, der von Signor Vecchi geschickt wurde, um den Prinzen zu holen. Der italienische Diplomat wollte ihn mit einigen wichtigen Leuten bekanntmachen.
Als Don Antonio ihr seinen Arm bot, damit er sie in den Ballsaal zurückbegleiten könnte, lehnte sie lächelnd ab. Sie verspürte nicht den geringsten Wunsch, allzu schnell wieder in das Haus zu gehen, in dem sie Damon treffen könnte. »Ich denke, ich bleibe noch ein wenig länger im Garten, Hoheit. Gleich dort drüben sind einige Bekannte von mir, denen ich mich anschließen kann.«
Allein wäre sie ohnehin nicht, denn mehrere kleine Gruppen von Gästen genossen die laue Abendluft, unter ihnen auch einige Damen, die Eleanor kannte. Und ihre Tante wusste schließlich, wo sie war.
Zum Glück wollte der Prinz sie weder umstimmen noch ermahnen, weil sie ohne Begleitung blieb, sondern verneigte sich galant und versprach, bald wiederzukommen. Eleanor blickte ihm nach, bevor sie sich in die entgegengesetzte Richtung wandte, um zu den anderen Damen zu gehen.
Als abermals eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchte, blieb ihr das Herz stehen. Die breiten Schultern erkannte sie sofort, ganz zu schweigen von dieser einzigartigen Aura von Kraft, Vitalität und Gefahr.
»Elle«, sagte Damon schlicht.
Es versetzte Eleanor einen Stich, dass er sie mit dem französischen Wort für »sie« ansprach, das er einst als Kosenamen benutzte.
Vergeblich mühte sie sich, zu atmen. Weder bekam sie Luft, noch konnte sie sprechen, da ihr Hals vollkommen ausgetrocknet war und ihr ein wenig schwindlig wurde. Damon lähmte sie und machte sie sprachlos, sie, die niemals um Worte verlegen war. Zum Teufel mit ihm!
Eleanor machte sich gerade. »Lord Wrexham«, sagte sie und nickte.
Den Kopf zur Seite geneigt, betrachtete Damon sie eindringlich. »Offenbar hast du beschlossen, mich distanziert höflich zu behandeln. Ich gestehe, das erfüllt mich mit großer Erleichterung.«
»Erleichterung? Was hattest du von mir erwartet, Mylord? Dass ich dich ohrfeige?«
Der Anflug eines Lächelns huschte über seine Züge. »Wenn ich mich recht entsinne, tatest du es bei unserer letzten Begegnung.«
Eleanor wurde rot. Das letzte Mal war sie zutiefst verwundet gewesen und hatte ihren Zorn an Damons schönem Gesicht ausgelassen, als sie die Verlobung löste.
»Selbstverständlich«, sagte er und rieb sich die linke Wange, »hatte ich deine Wut verdient.«
»Das hattest du fraglos«, pflichtete Eleanor ihm bei, wenngleich ein kleines bisschen peinlich berührt. »Aber du darfst versichert sein, dass ich heute Abend nichts Unangemessenes tun werde. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst
Sie machte Anstalten, an ihm vorbeizugehen, doch Damon berührte ihren Arm. »Bitte, bleib einen Moment. Ich habe eigens dafür gesorgt, dich allein zu sprechen, bevor wir uns in der Öffentlichkeit begegnen müssen.«
Als sie begriff, sah sie mit großen Augen zu ihm auf. »Du arrangiertest es, mich allein im Garten zu treffen? Du ließt Prinz Lazzara von einem Diener weglocken?« Sie merkte, dass sie ihre Stimme erhoben hatte, und flüsterte: »Welch eine Dreistigkeit!«
Damon schmunzelte reumütig. »Es ist wahr, dass ich mich der Manipulation schuldig machte, doch fand ich, wir sollten bestimmte Dinge besser untereinander klären, und ich war mir nicht sicher, was du tätest, würde ich dich inmitten der anderen Gäste ansprechen. Ich hoffe inständig, du wirst mich jetzt nicht gleich wieder in einem Brunnen versenken oder Schlimmeres.«
Eleanor zog skeptisch eine Braue hoch. »Ach ja? Hier sind reichlich Brunnen in der Nähe.«
»Dann bitte ich dich, deinen Vergeltungsdrang zumindest solange hinauszuzögern, bis du mich angehört hast.«
Was ihr schwerer fallen würde, als sie gedacht hätte. Trotzdem hielt Eleanor den Mund, als Damon fortfuhr. »Ich bezweifle, dass du mir bereitwillig vergeben möchtest, was vor zwei Jahren geschah
»Was in aller Welt bringt dich auf den Gedanken?«, fiel sie ihm ins Wort. »Nur weil du mich vor allen Leuten der Lächerlichkeit preisgabst und zu einem bemitleidenswerten Geschöpf machtest, denkst du, es fehlte mir sogleich an Großmut?«
»Niemand würde dich je für ein bemitleidenswertes Geschöpf halten, Elle.«
Sie erstarrte. »Ich würde es vorziehen, wenn du mich nicht bei diesem albernen Namen nennst. Die korrekte Anrede wäre>Lady Eleanor<.«
»Ach ja, ich hörte, dass Marcus beantragte, deinen Titel seinem neuen gemäß anzuheben. Na schön, Lady Eleanor, würdest du mir eine kurze Audienz gewähren?«
Damons Höflichkeit zerrte an ihren Nerven. »Was wünschst du mir zu sagen, Lord Wrexham? Es ist überflüssig, dich für dein widerwärtiges Benehmen zu entschuldigen, liegt es doch schon einige Zeit zurück. Die Angelegenheit ist vorbei, und ich verschwende nur noch höchst selten einen Gedanken daran.«
Auf ihre Lüge hin nahm sein Gesicht einen seltsamen Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte. »Ich bedaure, dich verletzt zu haben, Eleanor, aber als ich das Gespräch heute Abend suchte, geschah es nicht in der Absicht, mich zu entschuldigen.«
»Und was war es dann, dass dich veranlasste, zu solcher List zu greifen?«
»Ich hoffte, wir könnten Frieden schließen, was in meinem Interesse wäre, mehr jedoch noch in deinem liegen sollte.«
»In meinem Interesse? Wie das?«
»Ich möchte nicht, dass deine Reputation unter meinen früheren Verfehlungen leidet, daher hoffte ich, wir könnten jede Unbeholfenheit meiden, wenn wir erstmals wieder gemeinsam in der Öffentlichkeit gesehen werden. Selbst wenn du mich nur schneidest, würde es den bösen Zungen reichlich Futter geben.«
»Dem stimme ich zu. Wir können uns höflich benehmen, wenn wir uns offiziell begegnen.«
»Ich dachte, wir könnten heute Abend einen Schritt weitergehen, beispielsweise indem ich dich zum Tanz auffordere. Ein schlichter Kontredance, mehr nicht«, fügte Damon hinzu, als sie misstrauisch wurde.
»Warum in aller Welt sollte ich mit dir tanzen wollen?«
»Um mögliche Gerüchte im Keim zu ersticken.«
»Ganz im Gegenteil. Würde ich mit dir tanzen, blühte der Klatsch erst richtig auf, weil es den Anschein hätte, als pflegten wir erneut vertrauten Umgang. Nein, derlei Maßnahmen sind gänzlich unnötig, Damon. Aber ich werde dich nicht schneiden, sollte ich dir begegnen. Wenn das also alles wäre
»Geh noch nicht.«
Obwohl die leise gesprochenen Worte weder wie eine Bitte noch wie ein Befehl klangen, blieb Eleanor sofort stehen. Die Versuchung war überwältigend, dabei behagte ihr nicht einmal, in seiner Nähe zu sein, ganz besonders nicht allein und im Dunkeln.
»Ich möchte nicht mit dir allein gesehen werden«, begann sie.
»Das ließe sich umgehen.«
Zu ihrem Schrecken nahm Damon ihren Arm und zog sie wenige Meter weiter vom Kiesweg hinunter und hinter eine gestutzte Eibe.
Eleanor protestierte nicht, was sie eigentlich sollte. Vielleicht war es wirklich besser, dass sie sich zunächst unter vier Augen wiedersahen und alles »Unangenehme« hinter sich hätten, ehe sie sich in der Öffentlichkeit trafen. Aber natürlich würde sie sich nicht wortlos fügen.
»Ich verstehe beim besten Willen nicht, was du beabsichtigst«, sagte sie ziemlich schnippisch. »Wir dürften wohl alles besprochen haben, was es zu besprechen gibt.«
»Nicht doch. Nach zwei Jahren haben wir einiges nachzuholen.«
Eleanor wollte nichts nachholen. Sie wollte nicht einmal darüber n
»Wie ich hörte, hast du den Kontinent bereist«, rang sie sich höflich ab.
»Größtenteils ja. Die meiste Zeit verbrachte ich in Italien.«