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Wenn man in Panik gerät, gibt es diesen einen Augenblick, in dem die Zeit stillsteht und in der Luft hängt wie Lampions über einer Straße. In diesem einen Moment kann man sich einreden, dass alles in Ordnung kommt, wenn man einfach nur die Ruhe bewahrt.
Es klopfte an der Tür, zunächst beinahe höflich: ein kurzes, entschiedenes Pochen, das an einen einzelnen Huster erinnerte. Gleich darauf folgte eine Reihe sehr viel lauterer Schläge von Fäusten, die gegen das Holz trommelten.
Ich schnappte mir Josh, der wie ein aufgescheuchtes Huhn durchs Zimmer hastete und dabei fortwährend über das Laken stolperte, das er sich vor den Körper hielt, als könne er auf diese Weise irgendwie verbergen, was er getan hatte – was wir getan hatten –, und zog ihn mit mir ins Badezimmer.
»Josh«, sagte ich, packte ihn bei den Schultern und versuchte, ihn so lange ruhig zu halten, dass ich ihm in die Augen sehen konnte. »Wir müssen Ruhe bewahren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das da draußen Annabelle ist. Wir sollten uns also dringend eine Erklärung einfallen lassen, warum du hier bist, bevor sie reinkommt und uns beide kaltmacht.«
Josh riss die Augen auf, als ihm das volle Ausmaß dieser Situation bewusst wurde.
Aber es war zu spät – wir hörten, wie die Zimmertür aufging und Zyklon Annabelle hereinstürmte.
Ich lugte aus dem Badezimmer, nur um festzustellen, dass sie mitten im Zimmer stand, neben ihr ein verängstigt dreinblickender Hotelmanager, der einen Bund Generalschlüssel umklammerte. So leise ich konnte, schloss ich die Tür wieder.
»Joshua«, drang Annabelles Stimme durch den Raum. Sie troff nur so vor frostiger Höflichkeit. »Komm auf der Stelle aus diesem Badezimmer. Und Tallulah, würdest du bitte auch rauskommen?«
Dass sie »bitte« sagte, gab mir den Rest.
Ich kannte Annabelle Andrews, seit sie zwölf Jahre alt war; ich hatte sie schon wütend gesehen, ich hatte gehört, wie sie fauchte und zischte und wie eine Harpyie kreischte, wenn etwas nicht nach ihrem Willen lief, ich hatte sie weinen gesehen, war Zeugin geworden, wie sie in einem Nachtklub einen Mann niederschlug, der sie beleidigt hatte, und wusste, dass sie bereits diverse Männer in schluchzende Häuflein Elend verwandelt hatte. Was ich jedoch noch nie zuvor erlebt hatte, war eine höfliche Annabelle.
Zutiefst verängstigt schob ich Josh zu ihr ins Zimmer hinaus und verriegelte hinter ihm die Tür.
Nach nur wenigen Sekunden, in denen einige gedämpfte Schreie zu vernehmen waren, gefolgt von einem lauten Knall, den ich für das Zuschlagen der Tür hielt, wurde es still.
Ich legte mich auf den Fliesenboden, ließ mich von seiner Kühle umfangen, und während im Hintergrund die Klimaanlage des Hotels leise vor sich hinsummte, schloss ich die Augen und dachte zurück.
An alles.
Ich war zwölf, als Annabelle Andrews in mein Leben, oder besser: den Unterrichtsraum der siebten Klasse stolzierte, schnurstracks an Schwester Scholastika vor