: Kathinka Engel, Marie Grasshoff, Christian Handel, Stefanie Hasse, Lea Kaib, Laura Labas, Kim Leopol
: Piper Verlag
: Elements of Love 12 Kurzgeschichten über die große Liebe
: Piper Verlag
: 9783492606394
: 1
: CHF 4.10
:
: Anthologien
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Liebe in allen Farben und Elementen Schüchterne Blicke, feurige Berührungen und das Kribbeln im Bauch beim ersten Date. Ist es nicht schön, auf Wolke Sieben zu schweben? Jede der zwölf romantischen Geschichten erzählt von der großen Liebe und einem der vier Naturelemente. Wunderschön illustriert und veredelt ist die Anthologie ein Muss für alle New-Adult Leser:innen. Fantastisch oder real, slow-burn oder prickelnd, straight oder queer: Die perfekte Lektüre zum Träumen und Verlieben im sommerlichen Garten, auf dem Balkon oder am Meer. Ein Sturm der Gefühle: Feuer, Erde, Wasser, Luft in 12 einzigartigen Kurzgeschichten zum Verlieben Zwei Lieblingsgenres vereint in einem Buch: Romance und Romantasy! Die 12 romantischen Kurzgeschichten von 12 großartigen Autor:innen sind vereint unter dem Oberthema: Die vier Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Perfekt für Leser:innen von New Adult und Romantasy.  Bestsellerautor:innen und vielversprechende Talente aus dem Romance- und Romantasy-Genre rücken in romantischen Kurzgeschichten jeweils eins der vier Elemente in den Mittelpunkt. Die Autor:innen: Kathinka Engel, Marie Grasshoff, Christian Handel, Stefanie Hasse, Lea Kaib, Laura Labas, Kim Leopold, D.C. Odesza, Carina Schnell, Rose Snow, Andreas Suchanek, Nena Tramountani Mit wunderbaren Gedichten von Marie Weis und fantastischen Illustrationen von Tiffy Jung!

Kathinka Engel kennt die Buchwelt aus verschiedensten Perspektiven: Als leidenschaftliche Leserin studierte sie allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft, arbeitete für eine Literaturagentur, ein Literaturmagazin und als Redakteurin, Übersetzerin und Lektorin für verschiedene Verlage. Wenn sie nicht gerade schreibt oder liest, trifft man sie in Craft-Beer-Kneipen, im Fußballstadion oder als Backpackerin auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Mit ihrem Debüt »Finde mich. Jetzt« schaffte Kathinka Engel es aus dem Stand auf die SPIEGEL-Bestsellerliste. Bei Instagram teilt sie unter @kathinka.engel ihre Begeisterung für Bücher.

Nena Tramountani


Altlasten


 

JANUAR


Du hast alles versucht. Du bist jede einzelne Trauerphase durchgegangen. Du hast geweint, geschrien, in die Luft gestarrt. Du hast dir therapeutische Hilfe gesucht. Du warst in Selbsthilfegruppen. Du hast neue Menschen kennengelernt. Du hast sie nach einem zweiten Treffen gefragt, auch wenn das erste schon ein Reinfall war. Du hast dich bemüht, die richtigen Fragen zu stellen. Du hast nicht bloß von dir erzählt. Du hast darauf geachtet, nicht zu traurig zu wirken. (Es ist nicht deine Schuld, dass sie sich irgendwann alle nicht mehr gemeldet haben.) Du hast deinen Beruf gewechselt, obwohl dir die Arbeit in der Gärtnerei immer Freude bereitet hat. Du bist zu Kochkursen gegangen, zu Töpferkursen, zu Meditationskursen, du hast dir eine neue Sprache beigebracht, eine Weile lang hast du sogar Religion eine Chance gegeben. Du hast es auf die gesunde Art versucht. (Wirklich.)

Die Definition von Wahnsinn? Immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten.

Also hast du etwas Neues probiert. Du willst nicht wahnsinnig sein.

Es ist einfach, nachts in einen Friedhof einzubrechen, wenn man Totengräberin ist. Vielleicht zählt es nicht einmal als Einbruch, da du deinen Schlüssel verwendet hast, um eins der riesigen Tore aufzusperren. Du weißt genau, wann der Nachtwächter seine Runden dreht. Du bist vorbereitet. Du hattest eine Menge Zeit. Und du weißt, dass heute deine einzige Chance ist.

Der Friedhof ist gigantisch. Knapp drei Millionen Verstorbene liegen hier begraben. Dich interessiert nur eine. Das Grab befindet sich ziemlich genau in der Mitte, was praktisch ist, weil man von den umliegenden Straßen so nichts hören wird. Du hast sowieso nicht vor, viel Lärm zu machen. Wie gesagt, du bist vorbereitet. Das meiste Equipment musstest du nicht mal mitnehmen, es steht dir im Schuppen zur Verfügung. Du musstest nur für ein geeignetes Transportmittel sorgen, für danach, wenn du die Leiche aus dem Sarg gehoben hast. Dein Auto steht draußen bereit. Du musst daran denken, das Grab wieder zuzuschütten, niemand soll etwas bemerken. Du willst deinen Job behalten. (Deine Kollegen reden nicht viel, aber sie merken sich, wie du deinen Kaffee magst.)

Das Bettlaken muss reichen. Du hast keine Ahnung, in welchem Zustand ihr Körper sein wird. Natürlich hast du Vermutungen angestellt, sie muss einbalsamiert worden sein, so etwas hat man damals häufig gemacht, wenn die Leiche einen langen Flugzeugweg hinter sich legen muss. Aber selbst wenn es nur noch Knochen sind, wird es funktionieren. Du hast extra mehrmals nachgefragt.

Dir ist schon klar, dass es Risiken gibt, wenn man eine Tote wieder zum Leben erweckt. Sie könnte nicht ganz lebendig sein, sozusagen mit einem Bein noch im Grab stehen. Sie könnte versuchen, dich umzubringen, sobald sie versteht, was du getan hast. Vielleicht mochte sie es tatsächlich, tot zu sein. Vielleicht war es keine Kurzschlussreaktion. Sie könnte den Tod mit sich bringen, alles, was sie anfasst, könnte verwesen. Es könnte nur temporär sein. Eine Stunde, ein Tag, ein Jahr. Danach wäre sie wieder tot. Und würdest du es überleben, sie ein zweites Mal zu verlieren? Sei ehrlich. Würdest du es verkraften, jede Sekunde darum zu bangen?

Du hast dir diese Fragen schon sehr oft gestellt. Deine Antwort hat sich nie geändert:egal. Es ist egal. Du hast alles versucht. Dies ist der einzige Weg.

Es ist kurz nach Mitternacht, als du beim Grab ankommst. Nur ein paar Wildblumen wachsen darauf. So wie bei allen Gräbern daneben.

Der Wetterbericht hat keinen Regen angekündigt, aber jetzt scheint die Sintflut nah. Für einen Moment spürst du die Panik in dir. Nein, auch das ist egal. Ein bisschen Wasser wird dir nicht in die Quere kommen.

Dir bleibt eine Stunde. Du brauchst nicht mal eine halbe. Der Boden ist nicht so vereist, wie du dachtest. Du legst die Taschenlampe vor dir ab, lehnst sie gegen den Grabstein, der sich hinterihrem Grab befindet. (Mit Freuden hindurch ist die Inschrift, das kannst du in der Dunkelheit zwar nicht erkennen, aber du hast die Worte so oft gelesen, denn du kommst jeden Tag an diesem Grabstein vorbei.) Du stößt die Schaufel in die Erde. Die Anstrengung bedeutet nichts. Der Regen läuft dir in Schlieren übers Gesicht. Du ziehst dir deine Kapuze tief ins Gesicht, doch sie wird vom Wind nach hinten gewirbelt. Deine Haare lösen sich aus dem Zopf. Ein paar Würmer winden sich in der Erde vor dir. Ein Käfer krabbelt über deine Stiefel.

Der Regen wird stärker.

Ein dumpfes Geräusch erklingt. Die Schaufel trifft auf etwas Hartes. Als du den Sarg siehst, schluchzt du auf. Dir fällt nicht auf, dass es Mahagoniholz ist, kein Kiefernholz. Es ist dunkel. Du bist ziemlich emotional. Das könnte jedem passieren.

»Ich würde dich überall auf der Welt wiederfinden«, hast du damals zu ihr gesagt, als sie sich im Museum kichernd vor dir versteckt hat.

Du wusstest nicht, wie schwer es ist, menschliche Überreste voneinander zu unterscheiden.

FEBRUAR


Ich liege in einer Badewanne voller feuchter Erde, und auf den geblümten Fliesen vor der Wanne liegt eine Frau. Im Gegensatz zu mir ist sie nicht nackt. Ich kenne sie, auch wenn ich sie noch nie gesehen habe. Die letzten zehn, zwanzig Tage hat sie immer wieder nach mir gesehen. Irgendwann habe ich zu zählen aufgehört. Ich habe ihre Anwesenheit gespürt, selbst als ich meinen Körper noch nicht gespürt habe. Heute ist das erste Mal, dass ich es schaffe, meine Augen zu öffnen und mich aufzurichten. Es fühlt sich seltsam an, wie sich meine Finger um den Wannenrand schließen. Wie lange ist es her, dass ich meine Hände benutzt habe?

Die Frau schläft. Ihr Brustkorb senkt und hebt sich regelmäßig. Die schwarzen Haare verdecken ihr halbes Gesicht. Sie trägt abgenutzte Kleidung, die ihr zu klein ist, unter ihren Fingernägeln befindet sich Dreck. Ihr Körper sieht rund und weich aus. Warm.

Alles hier ist grün. Im ganzen Bad befinden sich Pflanzen. Efeu klettert von den Regalen herunter, streichelt die Wände. Ich möchte auch gestreichelt werden.

Ich stütze mich an der Wanne ab und erhebe mich. Meine Gliedmaßen ächzen. Knochen knacksen. Überall an meinem Körper klebt Erde. Mir ist kalt.

Ich habe keine Ahnung, wo ich mich befinde. Geschweige denn, wer sie ist. Ich weiß nur, dass ich eine ganze Weile in dieser Wanne gelegen habe statt unter der Erde.

»Hey«, rufe ich.

Sie fährt hoch. Reißt die Augen auf. Eine Hand schreckt zu ihrem Herz. Sie hat tiefe Schatten unter ihren Augen. Wie lang hat sie auf den Fliesen geschlafen?

Ein Krächzen entweicht ihren zerkauten Lippen. Es klingt nicht menschlich.

»Fuck«, stößt sie nach einer halben Ewigkeit hervor. »Fuck, fuck, fuck, ich dachte … Ich wollte … Ich …«

»Mir ist kalt.«

Statt einer Antwort würgt sie. Ihr Oberkörper krümmt sich. Sekundenlang versucht sie, zu Atem zu kommen.

Ein Stöhnen entweicht mir. Ich beuge mich aus der Wanne, lege ihr eine Hand auf die Schulter, drücke leicht zu.

»Mitzählen«, befehle ich. »Eins, zwei, drei, vier, fünf. Und noch mal. Langsam.«

Sie gehorcht für eine Weile, dann geht plötzlich ein Ruck durch ihren Körper, sie schüttelt meine Hand ab und richtet sich auf. Mit beiden Händen streicht sie ihr Haar aus dem Gesicht. Sie ist schön. Rote Äderchen unter ihrer Haut. Blut und Knochen. Versengender Schmerz.

Ihr wilder Blick trifft mich. »Wer bist du?«

»Sollte nicht ich dich das fragen?«

Dieser Sarkasmus in meiner Stimme. Ich habe ihn...