: Marion Hübinger, Sarah Adler, Marlena Anders, Alexandra Fischer, Katharina V. Haderer, Laura Labas,
: Wenn Drachen fliegen
: Drachenmond Verlag
: 9783961891504
: 1
: CHF 2.50
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: Anthologien
: German
: 626
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dunkle Wesen, funkelnde Träume, tausend Gefahren. Entdecke neue und alte Welten, geh auf Reisen und lass dich verzaubern. 32 Kurzgeschichten voller Liebe, Fantasie und Abenteuer und spannende Leseproben aus dem Drachenmond Verlag erwarten dich.

ICH BIN AM GLÜCKLICHSTEN, wenn meine Gedanken zu Musik werden. Gefühle verwandeln sich in Tonfolgen, die meine innere Stimme dann mit Akkorden untermalt. Wenn sich aus vielen Tönen schließlich wie von selbst ein Refrain formt, dann bekomme ich eine Gänsehaut. Die Krönung des Ganzen ist es, meinen Kumpels diese neue Songidee vorzutragen. Sie mit geschlossenen Augen um mich sitzen zu sehen, während sie die Melodie in sich aufnehmen, um sie anschließend an ihren Instrumenten fortzuführen und ihr mehr Tiefe zu verleihen, lässt mich jedes Mal glauben, dass ich etwas Besonderes erschaffe. Etwas Großartiges.

Mein Name ist Morris Kyle. Ich bin Musiker. Ich bin Rocker. Ich bin Sänger.

Und bis zu diesem einen Tag im Sommer glaubte ich, dass meine Gitarre meine einzige große Liebe sei. Doch dann kam Almond, und mein Leben wurde zu einer Amplitude, die seitdem in jede nur erdenkliche Richtung ausschlägt.

»Morris!« Die Stimme unseres Managers riss mich aus meinen Gedanken. »Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass du deinen Einsatz verpasst! ›Wings of Loneliness‹ sollte dir doch inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen sein.«

Ich grinste verlegen und sah sie an: Almond. Seit zwei Wochen geisterte sie wie eine Melodie, die ich unbedingt zu Papier bringen musste, durch meinen Kopf. Warum musste sie auch ausgerechnet die Tochter des Chiefs sein?

Sein Blick durchbohrte mich, als wüsste er längst, was in mir vorging. Vermutlich tat er das auch. Leonard Cole, Spitzname ›Chief‹, Managerlegende, Sohn eines Navajo-Kriegers und ein Mensch, den ich zutiefst bewunderte.

»Willst du weiter grübeln, oder bekommen wir das heute noch hin?«, fragte er und ich hörte Matt, Sean und Brad hinter mir kichern. Energisch holte ich Luft und nickte Leonard zu. Unsere Band Burnside Close stand zwar noch ganz am Anfang ihrer Karriere, aber wir hatten es irgendwie geschafft, vom legendären Chief Leonard Cole unter Vertrag genommen zu werden. Natürlich wollte ich ihn keinesfalls enttäuschen, denn er öffnete uns Türen, von denen ich bisher kaum zu träumen gewagt hatte.

Schon seit ich ein kleiner Junge gewesen war, war Musik alles, was mich ausmachte. Ich hörte sie im Rascheln der Blätter, im monotonen Rattern eines vorbeifahrenden Zuges und im Hupen der Autos auf den überfüllten Straßen der Stadt. Alles war ein Rhythmus, ich atmete ihn, ich fühlte