: Andrea De Carlo
: Yucatan
: Diogenes
: 9783257602340
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Regisseur aus Europa fliegt nach Los Angeles, um sich mit dem mexikanischen Schriftsteller zu treffen, dessen Buch er verfilmen will.Yucatan ist noch faszinierender, noch ungewöhnlicher als De Carlos bisherige Romane. Er konfrontiert in diesem Buch die amerikanische Technologie-Euphorie mit der metaphysisch und mythologisch geprägten Welt Mittelamerikas. Brillant, detailgetreu und von beißender Ironie.

Andrea De Carlo, geboren 1952 in Mailand, lebte nach einem Literaturstudium längere Zeit in den USA und in Australien. Er war Fotograf, Maler und Rockmusiker, bevor ihm 1981 mit seinem ersten Roman, ?Creamtrain?, der Durchbruch gelang. Acht Jahre später legte er den Roman ?Zwei von zwei? vor, der zum Kultbuch einer ganzen Generation wurde. Andrea De Carlo lebt in Mailand und in Ligurien.

[9] Warten ist ziemlich typisch

Warten ist ziemlich typisch für Dru Resnik. Beinahe alle seine Filme beginnen oder enden auf einem Flughafen, mit einer Szene wie der jetzt hier in Heathrow, wo wir auf ihn warten. Ich habe irgendwo gelesen, das sei eine Art Symbol für die wechselhaften Zufälle des Lebens, oder so ähnlich. Vielleicht ist es auch eine der Zutaten, die jeder Regisseur seines Niveaus verwendet, damit seine Produkte sofort als solche identifiziert werden können und die Kritiker und all die semiprofessionellen Kinosachverständigen Arbeit bekommen.

Wie dem auch sei, ich laufe jetzt hin und her, um möglichst den ganzen Eingangsbereich zu überblicken, und nach fünf Minuten kommt er, zusammen mit seiner Frau Verena und einem seiner großen Reisekoffer auf Rollen. Schon auf diese Entfernung sieht man ihm den großen Künstler von internationalem Rang an: Da ist etwas in seiner Art zu gehen, dem Schnitt und Stoff seiner Kleidung. Er wirkt jünger als zweiundvierzig mit der zerzausten Frisur und den nervösen Füßen, die in Tennisschuhen stecken, und doch ist einem sofort klar, daß er nicht jünger ist. Man sieht es ihm zu deutlich an, daß er über ein allgemein anerkanntes Talent verfügt; er ist zu offensichtlich mit den Gedanken ganz woanders und mehr als die anderen Reisenden auf sich selbst konzentriert, während er die große Halle durchquert.

Mit den Worten: »Hallo, Dave! Fein, daß du mitkommst!« drückt er mir die Hand.

[10] »Ich freue mich auch, daß es klappt«, sage ich.

Er zeigt auf meine Umhängetasche und sagt: »Du mußt mir mal erklären, wie du es fertigbringst, mit so wenig Gepäck zu reisen.« Mein Blick fällt auf seinen riesigen Koffer: Ich nehme an, daß seine Frau den für ihn packt und daß sie dabei mit mehr klimatischen Veränderungen und gesellschaftlichen Ereignissen rechnet, als selbst einem Dru Resnik unterkommen können.

Seine Frau lächelt mir zu wie einem Hausangestellten von gewissem Rang, läßt dann sofort den besorgten Blick weiterwandern. Sie ist groß, eine schöne Frau, wirkt mit ihrer Art des deutschen Ex-Fotomodells ein wenig steif. Dru läßt sie vorangehen, als beabsichtige er nicht, ihr zu folgen, und folgt ihr dann doch, ganz angespannt, wohl wegen irgendeiner Auseinandersetzung, die sie im Taxi auf dem Weg zum Flughafen hatten. Und es behagt ihm überhaupt nicht, in ein Flugzeug steigen zu müssen, er hat Angst vor dem Fliegen.

Verena beugt sich zu der Angestellten am Check-in-Schalter vor, läßt sich Informationen, die sie anderswo bekommen hat, noch einmal bestätigen. Die Angestellte antwortet mit verhaltener Höflichkeit; dann erblickt sie Dru, und es kommt Leben in ihren Gesichtsausdruck, sie ringt sich sogar ein Lächeln ab.

Dru sagt: »Ich muß mal telefonieren«, und verschwindet. Verena zwingt mich, sie in die VIP-Lounge zu begleiten, eine Tasse Kaffee mit ihr zu trinken. Dort b