1. KAPITEL
Das war er, der große Wurf! Der Vertrag, mit dem er seinen Gegnern beweisen konnte, dass er ein würdiger Nachfolger seines Vaters war.
Rafa Vieri erlaubte sich ein kurzes zufriedenes Lächeln. Mit diesem Geschäft würde er die Position vonVieri Azioni als größte Finanzholding in Europa festigen.
Er ließ seinen Blick über die Vorstandriege schweifen, die an dem Konferenztisch aus poliertem Mahagoniholz saß. Der weißhaarige Mann ihm gegenüber war Carlo Landini, Chef der renommiertesten Privatbank Italiens, derBanca Landini. Rafa hatte seinen ganzen Charme und jede Menge Überzeugungsarbeit eingesetzt, um Carlo Landini davon zu überzeugen, die Mehrheitsbeteiligung seiner Bank anVieri Azioni zu verkaufen.
Einige der Vorstandsmitglieder hatten nach dem unerwarteten Tod von Rafas Vater vor zwei Monaten Zweifel an seiner Eignung als Geschäftsführer geäußert, weil ihm der Ruf anhaftete, ein Playboy zu sein. Und dann gab es da noch die unschöne Scheidung von seiner Ex-Frau, die sich in aller Öffentlichkeit abgespielt hatte. Deswegen hatte sich Rafa in letzter Zeit wie ein Ausbund an Tugendhaftigkeit verhalten. Ebenso wichtig war es, Carlo Landini zu zeigen, dass er seinen alten Lebensstil aufgegeben hatte, den er als professioneller Basketballspieler in Amerika gepflegt hatte, bevor er vor achtzehn Monaten nach Italien zurückgekehrt war, um an der Seite seines Vaters bei Vieri Azioni zu arbeiten.
Rafa wusste, dass Carlo gehofft hatte, dieBanca Landini seinem einzigen Sohn zu vererben. Leider war Patrizios lebloser Körper auf seiner Jacht auf den Bahamas auf gefunden wurden, es kursierten Gerüchte, dass er an einer Überdosis Kokain gestorben war. Einen Skandal hatte man erfolgreich zu verhindern gewusst, doch durch Patrizios Tod stand Carlo plötzlich ohne Nachfolger da. Daher überraschte es nicht, dass Carlo sich nun wünschte, die jahrhundertealte ehrwürdige Bank seiner Familie zumindest in moralisch einwandfreie Hände zu geben.
Rafa räusperte sich. „Wollen wir fortfahren?“
Der ältere Mann nickte. „Ich bin bereit, den Vertrag zu unterzeichnen. Sie haben mich davon überzeugt, Rafa, dass dieBanca Landini unter der Leitung vonVieri Azioni sicher und erfolgreich weitergeführt wird.“
Carlo nahm den Stift in die Hand, hielt aber unvermittelt inne, als die Tür zum Sitzungssaal mit einem lauten Geräusch aufflog.
Was zum Teufel? Abrupt wandte Rafa sich der Quelle der Störung zu und sah eine junge Frau, die in den Raum geplatzt war.
Seine Verwirrung schlug in Zorn um. Er hatte seine Assistentin angewiesen, das Meeting nur zu unterbrechen, wenn das Gebäude abbrannte.
Wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht blieb die junge Frau stehen, als sich alle Blicke im Saal auf sie richteten. Das Auffälligste an ihr war das leuchtend pink gefärbte Haar, das überhaupt nicht zu ihrem orangefarbenen T-Shirt passte. Außerdem waren die Jeans an den Knien zerrissen. Vervollständigt wurde der bizarre Anblick von einem Baby in einer Trage vor ihrer Brust, allerdings war alles, was man von dem Kind sehen konnte, ein Büschel dunkler Haare und zwei Beinchen.
Erinnerungen an Lola als Baby blitzten in Rafas Kopf auf. Plötzlich wurde ihm flau. Seit dem allerersten Moment, als er sie in seinen Armen gehalten hatte, war er verzaubert gewesen. Seine Prinzessin, sein kleines Mädchen – zumindest hatte er das geglaubt.
Bis seine lügende und betrügende Ex-Frau seine Welt aus den Angeln gehoben hatte.
Mit derselben Rücksichtslosigkeit, die ihn zu einem Champion auf dem Basketballplatz gemacht und ihm in jüngster Zeit den Ruf eines gnadenlosen Geschäftsmannes eingebracht hatte, schob Rafa seine Vergangenheit zurück in eine Kiste mit der Aufschrift „Nicht öffnen“.
Seine sonst so unerschütterliche Assistentin eilte in den Saal.
„Mis