Kapitel 1
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Kein gesunder Mensch tanzt.
(Marcus Tullius Cicero)
Nelas Kopf hämmerte, als hätte sie drei Tage lang nicht geschlafen und keinen Tropfen getrunken. Gierig leerte sie ihre Wasserflasche, an der die Luftfeuchtigkeit zu winzigen Perlen kondensierte. Sie befeuchteten ihre Hand und beruhigten ihr erhitztes Gemüt ein wenig. Unfähiger Chef! Wie kam dieser überhaupt auf die bescheuerte Idee, innerhalb von sechs Tagen eine grosse Eröffnungsfeier organisieren zu wollen? »Habe es vergessen«, hatte er ihr nur patzig auf diese Frage geantwortet und sie aus dem Büro gescheucht.
Sie schüttelte den Kopf und massierte sich die Schläfen. Heute würde sie wieder bis weit nach Einbruch der Dunkelheit in ihrem Büro sitzen und die Verabredung mit ihren Freundinnen verpassen, morgen den geplanten Abend mit ihrer Schwester. Nela seufzte. Es war, als wollte ihr Chef sie absichtlich ins Messer laufen lassen.
Die Aussicht auf ihre dahinschmelzende Freizeit stimmte sie nicht fröhlicher, doch auch stilles Jammern half nichts. Sie musste diese Feier organisieren, und zwar in Windeseile. Nela nahm das Headset von der Halterung, setzte sich aufrecht hin und wählte mit flinken Fingern eine der Nummern, die sie in den letzten Monaten auswendig gelernt hatte, so oft, wie sie mit Herrn Zeller telefoniert hatte.
»Zimmermann, Zeller Holzbau AG, guten Tag.« Die männliche Stimme hörte sich warm und freundlich an. Sie hatte Herrn Zimmermann einmal auf der Baustelle getroffen, ein wenig Macho, mit einem breiten Lächeln und strahlenden Augen. Seinen Pfiff hatte sie nicht vergessen. Vielleicht sass ihm der Schalk zu fest im Nacken, um ernst zu bleiben.
»König, Schwab Architekten und Partner AG, guten Tag.« Sie seufzte so laut, dass er es bestimmt hören konnte. So kurz davor, ihren Chef in die Pfanne zu hauen, war sie noch nie gewesen. Eine kurze Bemerkung, was Herr Schwab verpasst hatte, und die Neuigkeit würde sich wie ein Lauffeuer in der Branche verbreiten. Immerhin hatte ihr Boss sie in die Scheisse geritten, indem er stets behauptete, alles für die Einweihungsfeier vorzubereiten oder wenigstens in Auftrag zu geben.
Nela konzentrierte sich auf das aktuelle Gespräch, auch wenn es ihr nicht leichtfiel. »Wie ausgebucht sind Sie?«
Ein leises Lachen erklang am anderen Ende der Leitung. »Privat oder geschäftlich?«
Nela seufzte, diesmal so laut und genervt, dass er es unmöglich überhören konnte.
Einen Moment herrschte Stille in der Leitung, dann räusperte er sich. »Mehrere Wochen.«
Nela schloss die Augen. Genau das hatte sie befürchtet, als Herr Schwab ihr diefrohe Kunde verkündet hatte. »Könnten Sie etwas dazwischenschieben?« In knappen Worten umriss sie Herrn Schwabs Vorstellungen der Feier am kommenden