: Sabine Thiesler
: Und draußen stirbt ein Vogel Thriller
: Heyne
: 9783641164416
: 1
: CHF 8.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 464
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nervenzerreißende Spannung in der Toskana
Hasserfüllt beobachtet er die Autorin Rina Kramer bei ihrer Lesung. Jedes Wort von ihr macht ihn wütend. Sie hat ihn bestohlen, hat seine Ideen und Gedanken geraubt. Er reist ihr nach, findet sie in ihrem idyllischen Landhaus in der Toskana und mietet sich bei ihr ein. Wie ein harmloser Urlauber, aber besessen davon, sie zu vernichten.

Rina ahnt nicht, was der eigentümliche Gast plant. Als sie endlich die Gefahr erkennt, ist es bereits zu spät.



Sabine Thiesler, geboren und aufgewachsen in Berlin, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete einige Jahre als Schauspielerin im Fernsehen und auf der Bühne und schrieb außerdem erfolgreich Theaterstücke und zahlreiche Drehbücher fürs Fernsehen (u.a.Das Haus am Watt,Der Mörder und sein Kind,Stich ins Herz und mehrere Folgen für die Reihen Tatort und Polizeiruf 110). Ihr Debütroman »Der Kindersammler« war ein sensationeller Erfolg, und auch all ihre weiteren Thriller standen auf der Bestsellerliste.

1

Nur eine fahle Leselampe beleuchtete Gesicht, Lesepult und Buch. Der übrige Raum lag im Stockdunkeln.

Sie sprach langsam und sehr leise ins Mikrofon. Niemand bewegte sich oder gab irgendeinen Laut von sich. Es war, als hätte das Publikum aufgehört zu atmen.

Er stand hinten, direkt neben der Tür, konnte den Saal überblicken und wusste ganz genau, dass sie ihn nicht sehen konnte. Dass sie ihn noch niemals, auch nicht bei den vorangegangenen Lesungen, gesehen hatte. Durch die Lampe geblendet, konnte sie kein einziges Gesicht der Zuhörer erkennen. Der Raum lag vor ihr in undurchdringlichem Schwarz.

Von dem, was sie las, kannte er jede Zeile, jedes Wort, er setzte in Gedanken Kommata und Punkte. Sie las gut, das musste er ihr lassen, besser hätte er es auch nicht gekonnt, sie wusste, was sie sagte. Anscheinend hatte sie sich lange und intensiv mit dem Text beschäftigt.

Er schloss die Augen, ließ die Worte auf sich wirken und spürte ein leises Vibrieren, als würde ihr die Stimme versagen. Sein Puls beschleunigte sich. Die Geschichte ging ihr offenbar selbst an die Nieren.

Es wurde dunkel. Die Sonne versank hinter den Bergen und machte ihr Unglück endgültig. Lisa wusste, dass er jetzt ganz bestimmt nicht mehr kommen würde. Nicht in der Nacht. Dennoch hörte sie nicht auf zu hoffen.

Immerhin war die Nacht warm. Schwüle Luft lag über dem Haus wie eine dicke Decke, unter der man kaum atmen konnte. Ihr Herz krampfte sich zusammen, wenn sie an den Streit am Nachmittag dachte. Sonst wäre Leo vielleicht nie weggelaufen.

Sie war schuld. Und Ben hatte keine Ahnung davon. Er hatte Leo stundenlang gesucht, hatte nach ihm gerufen, hatte geweint und geschrien, und jetzt wagte sie es nicht mehr, ihm auch nur einen Ton von dem Streit zu erzählen. Der wegen einer absoluten Nichtigkeit begonnen hatte.

Zwei Zuhörerinnen putzten sich die Nase. Er lächelte. Das war wunderbar. In seinen Träumen hatte er sich vorgestellt, dass sie weinten. Ein unglaubliches Glücksgefühl breitete sich in ihm aus. Die eigenen persönlichen Probleme der Zuhörer waren ein Klacks gegenüber dieser Geschichte. Sie sollten an nichts anderes mehr denken.

Als er Rina zum ersten Mal begegnete, hatte er sie sich jünger vorgestellt. Vermutlich war das Foto in den Büchern mehr als zehn Jahre alt. Erneut schloss er die Augen. Die Stille im Saal war fast unheimlich. Niemand räusperte sich, niemand hustete, kramte in irgendeiner Tasche herum oder knisterte mit einer Bonbontüte. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Die Zuhörer hatten die Welt vergessen und waren vollkommen gefangen von dem, was Rina Kramer ihnen vorlas.

Nie würde sie darüber hinwegkommen, d