: Charlotte von Feyerabend
: Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426464991
: 1
: CHF 15.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Reisen Sie mit einer der ersten deutschen Handelsvertreterinnen durchs 19. Jahrhundert: »Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück« ist die ebenso anrührende wie abenteuerliche historische Roman-Biografie über die Frau, deren Mut, Charme und Abenteuerlust den Aufstieg der Firma Märklin erst möglich machte.  Göppingen, 1859: Die Leute/Nachbarn sagen, Caroline Hettich hätte Glück gehabt, überhaupt noch einen Mann abzubekommen, als sie im Alter von 33 Jahren den verwitweten, 10 Jahre älteren Wilhelm Märklin heiratet. Caroline ist ein charmantes Energiebündel, das mit neuen Spielzeugideen frischen Wind in seine Blechwarenverkäufe bringt. Das 19. Jahrhundert pulsiert von neuen Ansätzen in der Pädagogik und der Industrialisierung. Eisenbahnen setzen die Welt unter Dampf und Caroline bietet als eine der ersten weiblichen Handelsreisenden der Männerwelt die Stirn. Doch überschattet eine unglückliche Liebe ihr Schicksal, die für die Firma Märklin zur entscheidenden Wende beitragen soll.  Caroline Märklin hat über Jahre die Geschicke des Familienbetriebs gelenkt, obwohl Frauen im 19. Jahrhundert als nicht geschäftsfähig galten. Mit ihrer historischen Roman-Biografie setzt Charlotte von Feyerabend einer Frau ein Denkmal, die eine Vorreiterin im Kampf für das Recht der Frauen auf einen Beruf und Selbstbestimmung war.  Entdecken Sie auch Charlotte von Feyerabends biografischen Roman über Selma Lagerlöf, die Bestseller-Autorin von »Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen«, die als erste Frau überhaupt den Literaturnobelpreise erhielt.   .  

Aufgewachsen im sonnenverwöhnten Baden, widmete sich Charlotte von Feyerabend nach einer Hotelfachausbildung dem Studium: zunächst Freizeitpädagogik mit Kulturarbeit, dann Literaturwissenschaft, Medienpädagogik und Texttechnologie. Es folgten Jobs in verschiedenen Verlagen.Sechs Jahre lebte die Autorin in Oslo, arbeitete als Erzieherin und veröffentlichte ihr erstes Buch und erstes Spiel. Im Anschluss lebte sie fünf Jahre in Berlin, arbeitete mit dem Goethe-Institut Oslo an Projekten mit deutschsprachigen Schulklassen und als Schreibdozentin an einer Berliner Schreibschule, zog für zwei Jahre nach Schweden und wohnt aktuell bei Bielefeld, der Stadt, die es eigentlich gar nicht gibt. Im Gepäck hat sie mittlerweile drei Kinder, eine norwegische Waldkatze plus fünf weitere Haustiere, ist Mitglied bei den Delias und war schon zweimal in der Jury für den Delia-Jugendliteraturpreis.

Kapitel1


Begegnung

Reisen war so viel mehr als nur eine Erfüllung von Sehnsucht. Reisen war eine Möglichkeit, der täglichen Routine zu entfliehen. Den Pflichten, den Sorgen, dem Dreck und dem Elend.Uns geht es doch gut, Mädchen, hallte die Stimme des Vaters in Carolines Kopf nach.Wir haben saubere Kleidung, immer einen Kanten Brot neben dem Teller, und ihr könnt ungezwungen aufwachsen. Mit ungezwungen meinte er, dass sie sich dreckig machen durfte, obwohl sie ein Mädchen war. Dass sie im Laden mithalf, solange es ihn gab zumindest. In der Werkstatt bedurfte es der zarten Frauenhände und ihres künstlerischen Geschicks, wenn es darum ging, Steingut anzumalen. Aber das war damals nicht Carolines Spezialität gewesen. Sie war diejenige, die ihren Vater auf immer neue Ideen brachte. Ob es dabei um die Zusammensetzung der Masse für das Steingut ging, neue Formen für Geschirr, Schalen, Vasen, Figuren oder um bei der Zusammenarbeit mit anderen Handwerkern gemeinsam schöne Dinge zu erschaffen, die nicht nur die Kunden erfreuten, sondern auch klingende Münzen eintrugen. Einmal saß sie sogar Modell für eine Figur. Ihre gerade Nase und die hohe Stirn seien elegant, dazu die langen Wimpern und die gelockten braunen Haare, die in einem Knoten am Hinterkopf zusammengesteckt waren. Vater bedauerte nur, dass er nicht ihre dunklen Augen im Glanz genauso hinbekam, wie sie in echt strahlten. Sie durfte sogar zusammen mit ihrem Vater zu einer Industrieausstellung2 in Stuttgart reisen. Das würde sie nie vergessen, wie sie die riesigen Hallen bestaunt hatte mit all den Ausstellern und den Massen an Waren. Ihr Herz quoll fast über vor Freude und Bewunderung. Wie groß musste da erst ganz Deutschland sein? Oder die ganze Welt?

Ihnen ging es damals tatsächlich meistens recht gut, arm waren sie nicht, jedes der zwölf Geschwister hatte früher im Winter ein Paar Schuhe ohne Löcher und warme Kleidung gehabt. Sie konnten sich auf den Stadtfesten Süßigkeiten leisten und holten das Puppentheater zu sich nach Hause. Sogar eine Laterna magica hatten sie und staunten über die bunten Bilder, die auf der Wand im Wohnzimmer entlangzogen.

»Seitdem du auf der Welt bist, hat sich mehr geändert als in dem Jahrhundert zuvor, wir leben in einer magischen Zeit«, hatte der Vater immer wieder betont, aber auch das hatte mit Dreck und Elend zu tun gehabt. Mit der hungrigen Eisenbahn, die sich durch die Landschaft fraß und grauen Dampf ausspuckte, als ob die Kohle zu schwer zu verdauen wäre. Doch lagen diese Gespräche schon so lange zurück, dass ihre Erinnerung das väterliche gütige Gesicht nur geisterhaft ausspuckte.

Nachdem Caroline eine Runde durch die Stadt gelaufen war, ihr Herz sich beruhigt hatte und ihr Kopf wieder stillstand, kehrte sie zu ihrem Onkel Albert zurück. In ihrer Tasche wartete ja ein Brief darauf, von Albert gelesen zu werden, und sie sollte eine Bitte ihrer Mutter übermitteln. Albert war Mutters Lieblingsbruder und der beste Onkel, den man sich als Kind hatte wünschen können. Immer Zeit für ein Lächeln, ein paar nette Worte, und oft hatte er Murmeln oder andere Kleinigkeiten dabeigehabt und mit ihnen gespielt. Er arbeitete als Küfer, so wie sein Opa, sein Vater, sein Bruder und dessen ältester Sohn. Er strahlte solch eine Ruhe und Liebenswürdigkeit aus, dass seine Kunden gerne mit ihm Geschäfte machten, er einen guten Ruf genoss und sogar zum Stadtrat gewählt worden war. Dadurch hatte er es zu einem gewissen Wohlstand gebracht und wohnte in einem stattlichen Haus, neben dem sich direkt die Werkstatt befand. Dass ausgerechnet er hinter ihrem Rücken so über sie reden würde, hätte sie nie gedacht. Ein Kloß setzte sich in ihrem Hals fest.

Als sie am Haus ankam, waren ihr Onkel und die Tante unterwegs, sie musste warten. Das tat sie am liebsten im Garten. Zwischen den Fliederbüschen, dem kleinen Nutzgarten mit Gemüse, Kräutern und den Apfelbäumen. Es war nur so still hier. Kinderlachen fehlte, welches an den Beeten entlangtobte und dem Stillleben Sinn einhauchte. Caroline schloss die Augen, lehnte sich auf dem harten Gartenstuhl zurück und fragte sich, wie jedes Mal, warum ihr Onkel an diesen verschnörkelten Eisenstühlen festhielt. Sie fand sie nicht einmal schön, den verdrehten Rosenranken sah man direkt an, dass diese nur unbequem in den Rücken stachen und piksten. Dinge waren einfach nur Dinge. Auch Mutters hübsche Steingutteller mit Blumenmustern konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Suppe früher doch öfters aus der Hauptzutat Wasser bestanden hatte. »Durststrecken gibt es immer«, raunte Vaters Stimme in ihrem Kopf, »die Frage ist, was machst du draus?«

Eine Biene brummte an Carolines Nase vorbei, die schwarzen Füßchen voll bepackt mit gelben Lavendelpollen. Caroline öffnete erschrocken die Augen und wischte reflexartig mit der Hand über den Nasenrücken. Bei der schnellen Bewegung fiel der Brief aus der Tasche ihres braunen Leinenkleides. Sie hob ihn auf. Er war heute frisch mit der Post eingetroffen, doch vom vielen Lesen bereits ganz verknickt. Die Briefmarken schmüc