: Kristina Wacker
: Die Lichtmalerin und der Kaiser Historischer Roman
: Gmeiner-Verlag
: 9783839270721
: 1
: CHF 8.00
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 444
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Berlin 1888. Ein ermordeter Fotograf und vertauschte Bilder stellen die Welt der jungen Friederike von Klagenbeck völlig auf den Kopf. Dabei wollte sie nur ihrem langweiligen Leben entfliehen und Fotografin für das berühmte Kaiserpanorama werden. Nun hält sie den Beweis für eine Verschwörung gegen die Monarchie in den Händen. Mit ihrer gewitzten Freundin Henriette und der burschikosen Erbtante Adele nimmt sie die Ermittlungen auf, bei denen nicht nur ihr persönliches Glück, sondern auch das Schicksal des Deutschen Reiches auf dem Spiel steht.

Kristina Wacker, Jahrgang 1967, hat drei erwachsene Kinder und lebt nach 30 Jahren im Schwarzwald wieder in ihrer Heimatstadt Dresden, deren reichhaltiges kulturelles Erbe sie immer wieder aufs Neue fasziniert. Die studierte Bibliothekarin und Medienpädagogin arbeitete als freie Journalistin und Dozentin und ist heute als E-Learning-Managerin auch im Bereich digitaler Medien unterwegs. Sie veröffentlichte ein Kinder- und Sachbuch im Themenbereich Geschichte und Film. Mit dem Roman »Die Lichtmalerin und der Kaiser« erfüllt sie sich den Wunsch, ihre große Leidenschaft für historische Welten und spannende Kriminalromane zu vereinen.

Die Diagnose


Kronprinzenpalais am Boulevard Unter den Linden 5 Uhr früh

Die Standuhr tickte. Unbarmherzig und unvermeidlich tröpfelten die Sekunden, wuchsen zu Minuten an und verbanden sich zu Stunden, in denen nichts geschah. Die Wärterin Dorothea steckte sich ihre weiße Haube im Haar fest und versuchte, eine bessere Position auf dem unbequemen Stuhl zu finden. Ein sinnloses Unterfangen, denn nach Stunden der Warterei bohrten sich mindestens drei Metallfedern unangenehm in ihr Sitzfleisch. Das Problem schien ihre Vorgesetzte neben ihr nicht zu haben. Die Diakonisse Agatha atmete flach und regelmäßig, ein Speicheltropfen suchte sich seinen Weg zum Kinn. Schläfrig blickte Dorothea zu den Gaslampen an den Wänden, die gegen das erste Licht des Tages ankämpften und jeden Moment etwas mehr von ihrem Glanz verloren. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals in ihren 19 Jahren so müde gewesen zu sein. Die Augen fielen ihr wieder zu.

Die Tür flog auf und schlug mit einem lauten Krachen gegen die Wand. Ein junger Mann mit taufeuchtem Umhang eilte an ihnen vorbei und verschwand im angrenzenden Zimmer. Endlich! Das musste der lang erwartete Befund von Professor Rudolf Virchow aus der Charité sein! Dorothea rutschte mit ihrem Stuhl näher zur geschlossenen Tür und spitzte die Ohren.

»Das darf doch nicht wahr sein! Damit begehen wir den größten Fehler unserer medizinischen Laufbahn und riskieren, das gesamte Deutsche Reich in den kommenden Monaten ins Chaos zu stürzen.« Die tiefe, dröhnende Stimme des Chirurgen Ernst von Bergmann kippte und wurde schrill. »Dieser Befund kommt einer Kriegserklärung gleich, die Millionen von Menschen das Leben kosten kann!«

Beim Geräusch einer aufschlagenden Faust auf der Tischplatte fuhr Agatha aus dem Schlaf und blickte sich verwirrt um. Reflexartig beugte sich Dorothea noch näher zur geschlossenen Tür und lauschte mit angehaltenem Atem weiter.

»Ich halte an meiner Diagnose fest, auch wenn die mikroskopische Untersuchung des geschätzten Professors Virchow etwas anderes sagt.« Bergmanns volltönender Bass durchdrang mühelos das dicke Holz der Eichentür. »So helfe uns Gott, wenn ich recht habe und der Kronprinz doch an Kehlkopfkrebs leidet!«

Beim Wort »Kehlkopfkrebs« schnappten die beiden Frauen im Vorraum erschrocken nach Luft. Das also war der Grund für die hektische Betriebsamkeit im Kronprinzenpalais. Nicht auszudenken, wenn der Thronanwärter Friedrich Wilhelm an einem bösartigen Tumor erkrankt wäre. Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter gewählt sein können, sofern es je einen günstigen Moment für so einen katastrophalen Befund gab.

Dorothea seufzte, als sie an die Menschen dachte, die durch den Kronprinzen ihre ganzen Hoffnungen auf ein liberales und soziales Deutsches Reich setzten. Schon seit Monaten war den Berlinern der tägliche Blick auf das Dach des Alten Palais zur festen Gewohnheit geworden, denn jeden Tag konnte die schwarze Fahne anzeigen, dass der 90-jährige Kaiser Wilhelm das Zeitliche gesegnet hatte und dadurch sein Sohn, den alle nur Fritz nannten, endlich den Thron besteigen konnte. Und jetzt das! Die Hoffnung des Landes fiel und stand mit der Kunst der Ärzte im Nebenzimmer. Wenn Fritz nicht der neue Kaiser wurde, würde sein ungestümer Sohn Wilhelm nachrücken, und den mochte keiner.

Das Bild des unbeliebten Kaiserenkels mit dem zu kurz