: Lena Falkenhagen
: Die Lichtermagd Historischer Roman
: Heyne
: 9783641032654
: 1
: CHF 6.40
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 544
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wo Licht ist, wird auch Schatten sein
Nürnberg 1349: Luzinde, benannt nach der Heiligen Luzia, der Lichtbringerin, lebt in einem Beginenkloster. Als ihr Geheimnis, Mutter eines unehelichen Kindes zu sein, gelüftet wird, verjagt man sie. Für die Bettlerin gibt es kein Mitleid. Als eine jüdische Familie die Christin als Magd anstellt, eröffnet sich ihr eine faszinierende, fremdartige Welt. Niemand ahnt, dass die Lichtermagd das Schicksal hunderter Nürnberger Juden entscheiden wird.
Ein faszinierendes Frauenschicksal im mittelalterlichen Nürnberg.

Lena Falkenhagen, geboren 1973 in Celle, arbeitete nach ihrem Studium der Germanistik und Anglistik als Übersetzerin, Lektorin und Autorin für Fantasy-Rollenspiele. Als Redakteurin Aventuriens gestaltet sie die größte phantastische Rollenspielwelt Deutschlands mit. Nach 'Das Mädchen und der Schwarze Tod', 'Die Lichtermagd' und 'Die Schicksalsleserin' ist 'Die letzte Hanseatin' ihr vierter historischer Roman. Die Preisträgerin des DeLiA-Romanpreises 2010 lebt in Hannover.
PROLOG
Die Nonne kam um Mitternacht, um ihr das Kind zu stehlen. Sie stand als Erste hinter der Tür der Geburtskammer, nur zu sehen durch einen Spalt. Ihr weißer Brustschleier schien im dunklen Raum über dem dunklen Habit zu schweben, beschienen vom letzten Licht einer einsamen Kerze. Die Glocke diffuser Helligkeit, die sie erzeugte, färbte die Dunkelheit darum herum nur noch tiefer. Und die Nonne war nicht allein.
Draußen heulte der Sturm durch das Spitzdach der Kate und schüttelte die Balken. Wind und Regen rüttelten draußen an den Fensterverschlägen und leckten mit kalten Zungen durch jeden Spalt. Und doch trotzten diese Wände Wetter und Unbill und gaben Luzinde das Gefühl von Geborgenheit. Immerhin hauste sie hier seit Monaten; seit die Wölbung ihres Bauchs dem Dorf Lindelberg ihre Sünde vor Augen geführt hatte. Die Holzdielen der kleinen Kammer, in die man Luzinde verbannt hatte, waren rau und grob. Als das Mädchen unförmiger und unbeweglicher geworden war, hatte es sich daran manchen Splitter gezogen und oft ihr Wollkleid zerrissen.
Das Mädchen lag jetzt matt auf dem Lager. Das Haar klebte ihm noch an der Stirn, jeder Muskel schmerzte. Es hatte stundenlang darum gerungen, das Kind zur Welt zu bringen. Die Wehen hatten zur völligen Erschöpfung geführt. Nun fühlte sich das Mädchen, als habe Gott dieses kleine Würmchen mit unbarmherziger Hand aus ihm herausgewrungen. Luzinde wollte sich endlich zurücklegen und schlafen, wollte ihren kleinen und so zerbrechlichen Sohn in den Armen halten. Sie sehnte sich nach seinem Duft, seiner weichen Haut, dem Flaum auf seinem Haar.
Das Würmchen greinte mit schwachem, noch kaum erprobtem Stimmchen. In Luzindes Augen sammelten sich Tränen; nicht die von Leid und Verzweiflung wie in den letzten Tagen, in denen ihr Vater und die Nonne sie gedrängt hatten, den Bastard fortzugeben. Dies waren Tränen der Freude und Erleichterung. Sie richtete sich schwerfällig in eine halb sitzende Stellung auf.Weiter kam sie nicht, denn in ihrem Unterleib fühlte sich alles wund an.
»Bitte«, flüsterte sie mit rauer Kehle und streckte eine blutbefleckte Hand nach dem Bündel aus. Die Hebamme reagierte nicht. Stattdessen rieb sie das Kind trocken und schlug es fest in Leinentücher ein.
»Frau Stoll«, bat Luzinde. Sie sehnte sich so sehr danach, das Kind zu berühren, dass der in ihren Körper zurückkehrende Schmerz verdrängt wurde. Doch die Frau reagierte, nicht sondern trat zur Tür. Draußen wartete die Nonne, und wer weiß, vielleicht auch Konrad, der Vater des Neugeborenen, oder Margaret Welser, seine Verlobte.
»Schwester Elisabeth«, hörte die junge Mutter die Amme nun murmeln. »Hier habt ihr … Es ist … Glückshaube.« Luzinde hielt den Atem an, um die Worte zu verstehen, doch die Amme und die Nonne sprachen zu leise. Dann hörte sie die lautere Stimme ihres Vaters. Er war da! Er war gekommen. Luzinde beruhigte sich sofort, denn sie wusste, dass der Vater nur ihr Bestes wollte.
»Das ändert nichts. Nehmt es! In Gottes Namen, nehmt es. Sie ist doch selbst noch ein Kind. Wie soll sie da für eines sorgen?«
Der Vater hatte es Luzinde oft erklärt, und die Nonne auch einmal. Sie war