2
Bitte aus dem mörderischen Bällebad abholen
So sehr Natalia das Dasein als Vampir hasste, es besaß eindeutig Vorteile. Selbst die beste Wanze musste man erst einmal in die Nähe des Gespräches schmuggeln, um mithören zu können, statt sich entspannt an die nächste Ecke zu lehnen und einfach nur die Ohren zu spitzen. Oder im jetzigen Fall: an die Tür zur Suite. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, im Flur Wachen aufzustellen. Zweimal war sie von einem Etagenkellner gestört worden, aber sie hatte sich schnell im Treppenhaus verborgen und war zurück zur Tür gerast, sobald die Luft rein war. Dadurch hatte sie sicher einiges verpasst, aber trotzdem genügend mitbekommen, um sagen zu können: Jasons aktuelles Opfer gab sich erstaunlich wenig Mühe, seinen Hintern zu retten. Er leugnete zwar grundsätzlich, das Geld geklaut zu haben, war jedoch bei Jasons sonstigen Fragen geständiger als jeder Verbrecher, dem sie jemals begegnet war. Viel Zeit auf Erden würde Michael nicht mehr beschieden sein, wenn er so weitermachte. Jason würde aus ihm herauspressen, wo das Geld war, und dann endete dieser Mann als Abendessen des Blutsaugers. Sollte sich Michael Girard die Kohle tatsächlich unter den Nagel gerissen haben, konnte man getrost ›selbst schuld‹ auf seinen Grabstein meißeln. Aber Natalia gönnte es Jason schlichtweg nicht, es sich so einfach zu machen. Michael war der Schlüssel zu einer Horde Mafiosi, die ihr Geld bei der Agentur von David Gounelle gewaschen hatten, und Natalia wollte jedes schmutzige Detail wissen. Dann wollte sie Haftbefehle beantragen lassen und jeden beteiligten Kriminellen persönlich in eine Zelle stecken. Bis auf Jason Harris – ihn wollte sie nicht nur einsperren, sie wollte wesentlich mehr.
Natalia verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere. Warum redeten die nicht mehr? Girard hatte doch zugegeben, dass da irgendwo seine Unterschrift stand. Machte Jason Kaffeepause, oder was war los?
Sie hörte das Kläffen eines Hundes und ein gedämpftes Keuchen. Das Geräusch kannte sie, es entstand, wenn man jemanden an der Kehle packte. Wusste der Henker, wieso Jason sein Verhör vorzeitig beendete. Vielleicht hatte er ja genauso Kohldampf wie Natalia.
Der Etagenkellner lieferte dem Klappern von Tellern und Deckeln nach zu urteilen in einer anderen Suite auf der Etage gerade das Abendessen. Das roch herrlich nach Bouillabaisse, selbst für eine Vampirin, die sich auf Blut spezialisiert hatte.
Das Keuchen im Inneren der Hotelsuite endete in einem Röcheln. Verflucht, das war nicht gut. Natalia vergewisserte sich, dass die Pistole immer noch in dem Halfter unter ihrem Arm steckte, trat von der Tür zurück, bis sie die Wand des Flures im Rücken spürte. Sie stieß sich ab und donnerte mit aller Kraft, die sie in ihrem vampirischen Dasein aufbringen konnte, durch die Tür. Die stoppte ihren Lauf nur minimal. Natalia sprengte sie buchstäblich aus den Angeln, und erst als sie gegen jemanden krachte, verlor sie das Gleichgewicht. Sie landete auf einem menschlichen Körper und den Trümmern der Tür. Zwischen den Splittern erkannte sie einen schwarzen Anzug und ein Gesicht, das eindeutig zu einem von Jasons Mitarbeitern gehörte. Der Kerl rührte sich nicht mehr. Sie wälzte sich herum und erhaschte einen Blick auf Jason. Er stand bloß da, die Arme vor der Brust verschränkt und dieses unsäglich b