Kapitel 1 - Mareike
Sieben Jahre zuvor
»Mama!«
Meine Stimme hallte durchs Badezimmer und ich war mir nicht sicher, ob sie es bis ins Schlafzimmer meiner Eltern schaffte. Erschöpft ließ ich mich auf die Fersen sinken, eine Hand noch immer auf dem Rand der Toilette. Der Geschmack in meinem Mund war fürchterlich, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht reichte, um auf die Beine zu kommen.
»Mama!«, rief ich ein zweites Mal, lauter, aber auch eine ganze Ecke weinerlicher. Ich versuchte, die Tränen zurückzublinzeln, aber sie liefen mir schon über die Wangen, als endlich das erlösende Klappern der Schlafzimmertür ertönte.
»Mareike?«, hörte ich ihre verschlafene Stimme, ehe sie das Licht im Bad bemerkt haben musste und durch den Flur lief.
Ich schluchzte lediglich, als sie auf der Türschwelle erschien, doch es reichte wohl, damit sie die Situation sofort erfasste.
»Och Mäuschen«, sagte sie sanft, bevor sie ins Badezimmer trat, die Klospülung betätigte und mich dann musterte. »Schon besser? Hast du etwas Falsches gegessen?«
»Ich hab so Kopfweh«, stieß ich zwischen Nasehochziehen und Schluchzen aus.
»Na komm her.« Sie griff nach mir und stellte mich auf die Beine, führte mich langsam zum Waschbecken. »Spül dir den Mund aus«, befahl sie, ließ mich dabei aber weder aus den Augen, noch nahm sie die Hand von meinem Rücken. »Sehr schlimm? Ist dir noch schlecht?«, wollte sie wissen, nachdem ich einen Becher mit Wasser getrunken hatte. Ausspucken tat ich nicht gern.
»Mein Kopf«, wiederholte ich. Das Aufstehen hatte das Pochen wieder verstärkt.
Mama warf einen Blick auf die Uhr über der Badezimmertür. »Es ist bald halb fünf. Leg dich ins Bett, ich bringe dir gleich einen Tee und etwas gegen die Schmerzen und dann bleibst du zu Hause.«
Ich nickte schwach und ließ mich von ihr ins Bett zurückbringen, wo sie mich kurze Zeit später mit einem Fencheltee und einer Ibuprofentablette versorgte.
»Ich lege mich noch einmal hin, aber lehne die Türen nur an, ja? Wenn etwas ist, ruf einfach.« Sie streichelte mir noch einmal über den Kopf und ließ mich dann allein.
Ich wusste, dass Mama arbeiten musste und noch bis sechs Uhr schlafen konnte. Meine Kopfschmerzen sollten sie nicht davon abhalten, zur Arbeit zu gehen, obwohl mir klar war, dass sie natürlich versuchen würde, hierzubleiben, wenn es mir schlecht ging.
Es dauerte einige Zeit, bis die Tablette wirkte, und auch der Tee musste abkühlen, aber dann schaffte ich es, noch einmal einzunicken, und verschlief erschöpft den ganzen Vormittag.
»Hallo, Mareike.«
Die Frau mit der Brille und dem strengen Rock, die eben den Raum betreten hatte, schien mich schon zu kennen. Vielleicht stand es auch auf dem Zettel, den Mama ausgefüllt hatte, als wir das letzte Mal hier gewesen waren.
»Mein Name ist Frau Braun.«
Ihr Lächeln war ehrlich und offen, als sie mir die Hand reichte und ich sie leicht ergriff. Sie setzte sich mir gegenüber in einen Sessel.
Ich hatte erst nicht allein gehen wollen, aber nachdem Mama mir versprochen hatte, im Wartezimmer sitzen zu bleiben, hatte ich mich doch getraut. Und nun war es gar nicht so schlimm, denn Frau Braun schien wirklich nett zu sein.
»Hat dir deine Mama schon gesagt, warum du heute mit mir sprechen sollst?«
Ich nickte. Es ging um die neue Schule und meine ständigen Kopfschmerzen. Ich hatte Mama und Papa im Wohnzimmer reden gehört, dass es sein könne, dass die neue Schule noch zu viel für mich sei, und ich doch lieber auf die Realschule wechseln solle. Auch hatten sie mich oft gefragt, ob ich Probleme hätte, dem Stoff zu folgen, oder ob es Ärger mit Klassenkameraden gäbe.
Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Ja, ich hatte mehr Hausaufgaben auf, aber die konnte ich meistens all