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Nina
Das Wasser war nie mein Freund.
Wann immer in meinem Leben eine Katastrophe passierte, hatte sie mit Wasser zu tun. Im Grunde begann das schon in meiner Kindheit, aber die eigentliche Geschichte nimmt ihren Anfang an einem kalten Wintertag vor acht Jahren. Dem Tag, nach dem nichts mehr war wie zuvor. Dem Tag, als das Wasser zu meinem erbitterten Feind wurde.
Ich war zu dieser Zeit schon beinahe zwanzig Jahre lang verheiratet. Wir wohnten in München, hatten eine schöne Wohnung, ich mochte meine Arbeit und war im Großen und Ganzen zufrieden mit meinem Leben, als etwas passierte, das mich komplett aus der Bahn warf.
Karsten war auf einer Dienstreise, sein Architekturbüro hatte ihn zu »Klimahouse«, einer Fachmesse in Bozen, geschickt. Ich hatte seit seiner Abreise drei Tage zuvor nichts von ihm gehört, scheute mich aber noch, ihn auf dem Handy anzurufen. Ich wollte nicht nerven. Schließlich waren wir keine frisch verliebten Studenten mehr, und er hatte sicher viel zu tun.
Als endlich das Telefon klingelte, begann mein Herz vor Freunde zu rasen. Ich riss den Hörer ans Ohr.
»Karsten?«, rief ich. »Wie schön, dass du anrufst. Nicht dass ich darauf gewartet hätte.« Ich lachte. Doch es war nicht mein Mann, der mir antwortete.
Es habe ein Schiffsunglück gegeben, ein Kreuzfahrtschiff sei im Mittelmeer bei der Insel Giglio auf einen Felsen aufgelaufen, es gebe Tote, sagte eine Frau mit belegter Stimme.
Ich war verwirrt. Ja, ich hatte gestern von diesem schrecklichen Unglück in den Spätnachrichten gehört. Ja, viele Tote, ganz furchtbar, aber was hatte ich damit zu tun?
»Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann unter den Vermissten ist.«
Schweigen in der Leitung.
In meinen Ohren begann es zu summen. Karsten auf einem Kreuzfahrtschiff? Das konnte doch nur ein Irrtum sein.
»Sie haben sich sicher verwählt«, sagte ich erleichtert und fühlte, wie mein Herzschlag sich beruhigte. »Mein Mann kann nicht auf diesem Schiff gewesen sein, er ist gerade bei einer Messe –«
»Sie sind doch Nina Hoffmann?«, unterbrach mich die Stimme, immer noch voller Anteilnahme.
»Ja, schon.« In meinem Kopf überschlug ich schnell, wie viele Nina Hoffmanns es wohl in Deutschland gab. »Aber Sie meinen sicherlich eine andere.«
»Nina Hoffmann, wohnhaft in München. Schwedenstraße 2.«
Mir wurde heiß. In diesem Haus gab es definitiv keine andere Nina Hoffmann.
»Ja, das bin ich.« Meine Stimme hörte sich plötzlich völlig fremd an. »Aber es muss trotzdem ein Irrtum vorliegen, denn –«
»Und Ihr Mann heißt Karsten?«
»Stimmt, aber –«
»Frau Hoffmann, er steht auf der Passagierliste, er hat sich beim Einchecken ausgewiesen. Es tut mir sehr leid.«
»Es ist ein Irrtum!«, schrie ich.
»Ihr Mann wird noch vermisst«, redete sie stoisch weiter. »Er ist nicht unter den Geretteten und auch nicht unter den Toten, die bisher geborgen wurden. Aber das Wasser ist jetzt im Januar eiskalt. Wir müssen leider vom Schlimmsten ausgehen.«
Ich weiß nicht, wie lange die Frau auf mich einredete, bis ich begriff, dass Karsten nie z