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Die North Woodlands Crescent lag kurz hinter einem der großen Kreisverkehre, die die zweispurigen Umgehungsstraßen von Perth unterbrachen, um den Verkehr zu wichtigeren Zielen in allen vier Himmelsrichtungen zu schicken. Ordentliche weiß getünchte Bungalows hockten auf ihren akkurat abgezirkelten Parzellen hinter robusten immergrünen Hecken, die alle auf die gleiche Höhe getrimmt waren. Die Straße schien dazu bestimmt zu sein, dass nichts ihr Gleichgewicht störte. Niemand würde die Polizei rufen müssen, weil randalierende Jugendliche hier Drogen nahmen, häusliche Streitigkeiten durch die gepflegten Vordertüren nach draußen drangen oder verantwortungslose Autodiebe mit quietschenden Reifen über die sauberen Gehwege bretterten.
»Das ist so’n Ort, an dem die Leute sich total empören können wegen eines Mordes vor ihrer Haustür«, bemerkte Jason und parkte hinter einem Polizeiauto am Bordstein. »Als wäre das eine persönliche Beleidigung.«
»Wir wissen noch nicht, ob es sich um einen Mord handelt«, sagte Karen.
»Stimmt schon, Boss. Aber man versteckt normalerweise die Leiche nicht in der Garage, wenn jemand eines natürlichen Todes stirbt.«
Er wird eindeutig sowohl aufmerksamer als auch selbstbewusster, überlegte Karen. Sie erlaubte sich, kurz stolz zu sein. Phil hatte sie ermuntert, Jason dabei zu unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen. Langsam, aber sicher machte sich der Minzdrops. Sie grinste. »Ich weiß nicht. Schließlich ist das hier Perth. Vielleicht bedeutet es das gesellschaftliche Aus, wenn man zugeben muss, dass man eine Leiche im Kofferraum hat.«
Ein uniformierter Sergeant stieg aus dem Streifenwagen und hob grüßend die Hand. Er wartete, bis sie näher kamen, und sagte dann: »DCI Pirie? Ich bin Sergeant Pollock. Wir haben miteinander telefoniert.«
»Ist immer noch keine Kriminalpolizei hier? Oder die Spurensicherung?« Offenbar liefen in Perth ein paar Dinge anders.
»Ich habe mit meinem Inspector gesprochen, er meinte, wir sollten abwarten, was Sie dazu sagen. Ist ja nicht so, dass wir mit einer heißen Verfolgungsjagd rechnen müssten oder so.«
»Es wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen, ein Forensikteam herzuschicken. Denn ganz egal, wessen Fall das am Ende wird: Wir brauchen eine umfassende Untersuchung des Fundorts.« Karen sagte das in einem freundlichen Tonfall, aber Pollock entging nicht ihr grimmiger Gesichtsausdruck.
»Möchten Sie, dass das zuerst geschieht? Bevor Sie einen Blick darauf werfen?«
»Rufen Sie sie. Während wir auf sie warten, werdenDC Murray und ich uns umziehen und den Fundort betreten. Und dann möchten wir mit der Frau sprechen, die die Entdeckung gemacht hat. Ist sie auf dem Revier?«
Pollock schüttelte den Kopf. »Wir haben sie nach Hause gehen lassen. Wissen Sie, sie war ziemlich aufgewühlt. Ich dachte, es wäre besser, wenn sie in ihren eigenen vier Wänden wartet, statt wer weiß wie lange hier oder in einem Vernehmungsraum rumzusitzen.«
Das war nicht das, was Karen getan hätte, aber sie hatte die Botschaft verstanden, dass man in der Barrack Street definitiv anders vorging als bei der Historic Case Unit. Sie hoffte, dass sich der Umgang der Kollegen mit aktuellen Fällen mehr an den Vorschriften orientierte. »Wie lautet der Name der Eigentümerin?«
»Susan Leitch. Das ist die, die bei dem Verkehrsunfall umgekommen ist. Die Frau, die das Skelett entdeckt hat, ist ihre Schwester. Stella. Auch Leitch. Keine von ihnen ist irgendwie aktenkundig, noch nicht mal wegen zu schnellen Fahrens.«
Zehn Minuten später bahnten sich Karen und Jason in raschelnden Tyvek-Anzügen und blauen Plastiküberschuhen ihren Weg durch die Haustür und über den nichtssagenden Teppich im Korridor zu einer sauberen Küche. Karen musterte das Sortiment von Ölen und Gewürzen neben dem Herd, den Steinguttopf mit Küchenutensilien und die aufgereihten Kochbücher mit angeschlagenen Ecken und zerknickten Binderücken. Es sah aus, als wäre hier tatsächlich gekocht worden. In der gegenüberliegenden Wand war eine solide Tür, durch die es in eine Doppelgarage ging. Ihre Augen wurden von einem alten, halb abgedecktenVW-Camper angezogen, aber Karen zwang sich, sich den gesamten Raum anzusehen. Erste Eindrücke lieferten oft gute Hinweise, welche Dinge aus dem Ruder gelaufen waren.
An der Wand war ein Gestell für zwei Fahrräder befestigt, an dem aber nur ein Rad hing, ein robustes Mountainbike mit breiten Reifen und einem Aufsatz für einen Elektromotor. Am Boden darunter befand sich der Motor in einem Ladegerät und neben dem Gestell für die Fahrräder ein Regal mit einer Reihe von Dingen, die man – wie Karen vermutete – für die Instandhaltung eines Fahrrads brauchte, sofern man es nicht jedes Mal zu einem Bike Shop schieben wollte, wenn die Bremsen quietschten.