1. KAPITEL
Als Susanna Hart den Cadillac-SUV um die Ecke kommen und die Straße hinunterrasen sah, krampfte sich ihr Herz zusammen. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde.
Casey Thomas war wieder da.
Der Ball ihrer Nichte Ally rollte über die Straße und blieb auf dem Rasen vor Caseys Elternhaus liegen. Susanna hielt die Hand des Mädchens fest und hastete zum anderen Grundstück hinüber. Wieso musste Casey ausgerechnet jetzt kommen? Ins Haus zurückrennen konnte sie nicht mehr, dafür war es zu spät.
„Oh nein“, murmelte sie. Ally sah sofort fragend zu ihr hoch. Schnell hob Susanna den Ball auf und reichte ihn der Zweijährigen, dann zog sie die Kleine, so rasch es ging, wieder in Richtung ihres Hauses und lächelte das Kind an. Auf keinen Fall durfte Ally etwas von ihrer Nervosität spüren.
Der besorgte Blick auf dem Gesicht der Kleinen verschwand, und sie lachte Susanna fröhlich an. „Komm, wir spielen weiter.“
Ally wohnte nun seit einem Monat bei ihr, und das Wichtigste für Susanna war, dass sich das Kind bei ihr wohlfühlte und das Gefühl hatte, von ganzem Herzen geliebt zu werden. Wenn Ally etwas von der Panik mitbekam, die in Susanna aufstieg, würde sie das nur verunsichern und verstören.
Der SUV kam in der Einfahrt neben ihr zum Stehen. Vor etwa zehn Jahren hatte Casey ihr das Herz gebrochen, und Susanna war nie darüber hinweggekommen. Obwohl sie ihn seither schon ein paar Mal gesehen hatte, tat ihr sein Anblick immer noch weh.
Verdammt, reiß dich zusammen! rief sie sich zur Vernunft. Sie würde einfach so tun, als sei nie etwas passiert, als wäre nicht er es gewesen, der sie vor langer Zeit verführt und ihr dann so schrecklich wehgetan hatte. Bei der Beerdigung von Susannas Vater hatte sie das ja auch hinbekommen. Und als sie Casey nach einem Reitunfall mit ihrer Freundin Audrey im Krankenhaus besucht hatte, konnte sie auch so tun, als mache es ihr nichts mehr aus, ihn zu sehen.
Die Fahrertür ging auf, und sofort hüpfte ein kleiner Hund aus dem Wagen. „Wie süß!“, rief Ally begeistert und fuchtelte aufgeregt mit den Armen.
Der Hund rannte schwanzwedelnd auf sie zu.
„Charger!“, rief Casey das Tier zurück, und Susanna nahm Ally schnell auf den Arm.
„Entschuldigung“, rief Casey zu ihr hinüber. „Er ist zwar sehr stürmisch, aber er tut nichts.“
Etwas schwerfällig stieg Casey aus dem Wagen. Seit seinem Reitunfall – er hatte sich bei einem Rodeo einen Wirbel gebrochen – waren seine Bewegungen etwas langsamer. Er war über einen Meter fünfundachtzig groß und wirkte noch immer imposant, als er jetzt neben seinem Wagen stand. Irgendetwas schien ihn jedoch zu verärgern, das sah Susanna an seinem Blick. War es der Hund? Oder hatte er immer noch Schmerzen im Rücken?
„Ich hoffe, er hat das Kind nicht erschreckt“, sagte Casey freundlich.
Mit eingezogenem Schwanz schlich der kleine Hund zu seinem Herrchen zurück. Das Fell des Tiers war genauso blond und struppig wie Caseys Haare, und selbst der Blick des Hundes kam Susanna ebenso verschmitzt vor wie der seines Herrchens. Casey kam auf Susanna zu, blieb aber ein paar Schritte von ihr entfernt stehen. „Hallo, Susanna.“
Ihre nackten Zehen bohrten sich in das Gras. Noch immer sah Casey umwerfend gut aus. Mit seinem braunen Hemd und der beigen Hose wirkte er kultivierter als früher. Er war braun gebrannt und lachte sie charmant an. „Hallo. Wir werden nun wieder Nachbarn sein.“
Susanna hatte bereits von ihrer besten Freundin Audrey erfahren, dass Casey aus geschäftlichen Gründen für eine Weile wieder herziehen würde. Sie war also darauf vorbereitet. Was sie Audrey allerdings verschwiegen hatte, war, wie sehr es sie stresste, dass der erfolgreiche und attraktive Bruder ihrer Freundin wieder neben ihr wohnen würde.
„Audrey hat es mir schon erzählt“, antwortete sie und hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht bemerkte.
So viel war zwischen ihr und Casey unausgesprochen. Vor langer Zeit hätten sie darüber reden sollen, nun wollte Susanna nicht mal mehr darüber nachdenken. „Äh, das ist Ally“, fuhr sie unsicher fort. „Sie wohnt jetzt bei mir.“ Sie drückte die Kleine fest an sich und berührte mit den Lippen ihre blonden Locken. „Ally, das ist Casey.“
Ally blickte von dem Hund zu seinem Besitzer. Erst jetzt schien sie den Mann zu bemerken. „Hallo“, sagte sie leise.
Casey kam über das Gras nä