1. KAPITEL
Ausgerechnet hier hatte Gina Grady als Allerletztes arbeiten wollen.
Aber was tat man nicht alles, wenn man verzweifelt war und keine andere Wahl hatte! Und nicht zuletzt war sie es ihrem Stolz schuldig, dass sie diese Gelegenheit ergriff. Sie brauchte diesen Job. Und sie musste unbedingt in Los Angeles bleiben.
Gina wurde in ein leeres Büro geführt. „Mr. Beaumont kommt sofort“, sagte Mrs. Danner von der Personalabteilung. Sie nickte Gina noch einmal kurz zu und ging wieder.
Gina trat an das große Fenster. Das Büro lag im zwölften Stock, und der Blick über Santa Monica war atemberaubend. Hoffentlich lief das Bewerbungsgespräch gut. Aber eigentlich musste sie sich deswegen keine Sorgen machen. Schließlich war Sam Beaumont früher ein sehr guter Freund und immer sehr nett zu ihr gewesen. Trotzdem hatte es einigen Mut erfordert, sein Jobangebot anzunehmen. Denn schon bei dem Namen Beaumont zitterten ihr die Knie, als wäre das alles erst gestern gewesen. Und doch war Sam immer ganz anders gewesen als sein jüngerer Bruder William, dem sie hoffentlich nie wieder begegnen würde.
Der Pazifik erstreckte sich weit bis zum Horizont, weiße Schaumkronen tanzten auf dem Wasser. Dieser Anblick jagte Gina immer noch eine Höllenangst ein, und entschlossen verdrängte sie den Gedanken an William. Es war schonschwer genug, die Angst vor dem Wasser unter Kontrolle zu bekommen, denn sie wollte und musste einen ruhigen selbstsicheren Eindruck machen.
Ihre zahlreichen Gläubiger kümmerte es wenig, dass Gina am Misserfolg ihrer Firma nicht schuld war. Sie war von einem Hochstapler hereingelegt worden, den sie für einen vertrauenswürdigen Partner gehalten hatte. Aber so hatte ihre Firma GiGi Designs nicht die geringste Chance gehabt, sich auf dem Markt durchzusetzen. Immer hatte sie davon geträumt, ihr eigenes Unternehmen zu haben, aber nun war dieser Traum in null Komma nichts zerstört worden. Dabei hatte sie so hart dafür gearbeitet.
Doch davon ließ Gina sich nicht entmutigen. Sie war entschlossen, ihre Modemarke wieder aufzubauen, auch wenn sie noch einmal ganz von vorn anfangen musste.
Aber zuerst musste sie ihre Schulden zurückzahlen.
Gina strich sich ein paar lose Strähnen zurück, die sich aus dem Knoten lösten, in den sie ihr langes dunkles Haar zusammengefasst hatte. Sorgfältig glättete sie den schmalen Rock des taillierten Kostüms und setzte sich dann vor den großen Schreibtisch aus massiver Eiche. Die elegante schwarze Tasche von Gucci behielt sie auf dem Schoß.
Tief atmete sie durch und schloss die Augen, um ihre Nerven zu beruhigen. Doch als sie sie wieder aufschlug, durchfuhr es sie siedend heiß. Hatte sie sich etwa verlesen? Aber vor ihr auf dem Namensschild aus glänzendem Messing stand es tatsächlich groß und deutlich.
William Beaumont. Vorstandsvorsitzender.
„Oh, nein!“ Sie sprang auf, das Herz klopfte ihr wie verrückt. Auf keinen Fall durfte sie William hier begegnen, und für ihn arbeiten konnte sie schon gar nicht. So weit konnte sie sich nun doch nicht erniedrigen, egal wie sehr sie den Job auch brauchte. Sie hing sich die Tasche über die Schulter und wandte sich zur Tür.
„Willst du schon wieder davonlaufen, Gina?“
Fast wäre sie mit William Beaumont zusammengestoßen, der in diesem Augenblick die Tür öffnete und Gina mit seinen dunkelgrünen Augen amüsiert ansah. Er blieb mitten in dem Türrahmen stehen und neigte leicht den Kopf, während er sie lächelnd betrachtete. „Darin bist du ja Meisterin.“
Gina hielt den Kopf hoch und bemühte sich, gelassen zu erscheinen, auch wenn es in ihr drunter und drüber ging. Wie hatte sie nur so naiv sei