: Jennifer Niven
: All die verdammt perfekten Tage Roman - Der Roman zum Film
: Limes
: 9783641158484
: 1
: CHF 7.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 400
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Mädchen lernt zu leben - von einem Jungen, der sterben will
Ist heute ein guter Tag zum Sterben?, fragt sich Finch, sechs Stockwerke über dem Abgrund auf einem Glockenturm, als er plötzlich bemerkt, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht Violet, die offenbar über dasselbe nachdenkt wie er. Von da an beginnt für die beiden eine Reise, auf der sie wunderschöne wie traurige Dinge erleben und großartige sowie kleine Augenblicke - das Leben eben. So passiert es auch, dass Finch bei Violet er selbst sein kann - ein verwegener, witziger und lebenslustiger Typ, nicht der Freak, für den alle ihn halten. Und es ist Finch, der Violet dazu bringt, jeden einzelnen Moment zu genießen. Aber während Violet anfängt, das Leben wieder für sich zu entdecken, beginnt Finchs Welt allmählich zu schwinden...

Jennifer Niven wuchs in Indiana auf, dort, wo auchAll die verdammt perfekten Tagespielt. Mit der herzzerreißenden Liebesgeschichte von Violet und Finch hat sie Verlage in aller Welt begeistert - die Rechte wurden in über 32 Länder verkauft. Der Roman stürmte kurz nach Erscheinen nicht nur die New-York-Times- sondern auch die SPIEGEL-Bestsellerliste, und eine Hollywoodverfilmung ist ebenfalls in Planung. Heute lebt die Autorin mit ihrem Verlobten und ihren »literarischen« Katzen in Los Angeles.

FINCH– Ich bin wieder wach. 6. Tag

Ist heute ein guter Tag zum Sterben?

Diese Frage stelle ich mir morgens beim Aufwachen. In der dritten Stunde, während Mr. Schroeder vor sich hin labert und ich versuche, die Augen offen zu halten. Beim Abendessen, als ich die Schüssel mit den grünen Bohnen weiterreiche. Nachts, wenn ich wach liege, weil mein Gehirn wegen all der vielen Gedanken nicht abschalten kann.

Ist heute der Tag?

Und wenn nicht heute, wann dann?

Das frage ich mich auch jetzt, sechs Stockwerke über der Erde, auf einem schmalen Sims. Ich bin so hoch oben, dass ich mich praktisch schon im Himmel befinde. Ich schaue hinunter auf den Asphalt, und die Welt legt sich schräg. Ich schließe die Augen, genieße das Drehen und Kreiseln in meinem Kopf. Vielleicht mache ich es diesmal tatsächlich – lasse mich von der Luft wegtragen. Es wäre so, als würde man in einem Swimmingpool im Wasser treiben – wegschweben, bis da gar nichts mehr ist.

Ich kann mich nicht erinnern, hier hochgestiegen zu sein. Eigentlich erinnere ich mich an kaum etwas vor Sonntag, wenigstens nicht aus diesem Winter. Das passiert jedes Mal – Blackout und dann Aufwachen. Ich bin wie dieser uralte Mann mit dem Bart, Rip Van Winkle. Jetzt seht ihr mich noch, dann plötzlich nicht mehr. Man könnte meinen, ich hätte mich langsam daran gewöhnt, aber dieses Mal war es noch schlimmer als sonst, weil ich ein paar Tage nicht geschlafen habe oder eine Woche oder auch zwei. An den Feiertagen habe ich geschlafen, am Erntedankfest, an Weihnachten und über Silvester und Neujahr. Ich kann nicht sagen, was diesmal anders war, aber als ich aufwachte, fühlte ich mich noch toter als gewöhnlich. Wach, ja, aber völlig leer, als ob mir jemand das Blut ausgesaugt hätte. Heute ist der sechste Tag von diesem Wachsein und meine erste Woche in der Schule seit dem 14. November.

Ich mache die Augen auf, und der Boden ist immer noch da, hart und beharrlich. Ich stehe auf dem Glockenturm der Schule, auf einem etwa zehn Zentimeter breiten Vorsprung. Der Turm ist ziemlich klein. Rings um die Glocke verläuft nur ein schmaler Betonstreifen. Dann kommt schon die niedrige Steinbrüstung, über die ich gestiegen bin. Hin und wieder stoße ich mit dem Bein dagegen, um mich zu vergewissern, dass sie noch da ist.

Meine Arme sind ausgebreitet, als ob ich eine Predigt halten würde. Diese mittelmäßig große und so unsagbar langweilige Stadt ist meine Gemeinde. »Meine sehr verehrten Damen und Herren!«, rufe ich. »Ich heiße Sie herzlich willkommen! Willkommen zu meinem Tod!« Vielleicht hätte ich besser sagen sollen, zu meinem Leben, weil ich doch gerade erst aufgewacht bin. Aber nur wenn ich wach bin, denke ich ans Sterben.

Ich rede wie ein greiser Lehrer, einschließlich der ruckartigen Kopfbewegungen und der zuckenden Betonung, und dabei hätte ich beinahe das Gleichgewicht verloren. Ich halte mich hinten an der Brüstung fest und bin froh, dass niemand herschaut, denn seien wir mal ehrlich: Es ist unmöglich, furchtlos zu wirken, wenn man sich wie eine Memme an die Brüstung klammert.

»Ich, Theodore Finch, ganz und gar nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, vermache hiermit all meine irdischen Besitztümer Charlie Donahue, Brenda Shank-Kravitz und meinen Schwestern. Alle anderen können mich mal am A… l…« Bereits im frühen Kindesalter wurde mir von meiner Mutter eingebläut, Schimpfwörter un