Samantha
»Mein Vorschlag wäre eine Europatour rund um die Weihnachtsmärkte. So können Sie ganz tief in die Festtagsatmosphäre eintauchen und gleichzeitig Ihre Weihnachtseinkäufe erledigen. Perfekt, oder?«
Barfuß und die Haare zu einem improvisierten Dutt hochgesteckt, scrollte Samantha durch den Reiseplan, den ihr Team zusammengestellt hatte.
»Los geht es in Prag. Der Wenzelsplatz zur Weihnachtszeit ist einfach unbeschreiblich! Überall stehen hübsche Holzbuden, in denen Kunsthandwerk und kulinarische Köstlichkeiten verkauft werden – die warmen Lebkuchen dürfen Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen –, und in der Mitte ein gewaltiger Weihnachtsbaum. Man trinkt Glühwein, schaut dabei den Eisläufern zu, und oft singt im Hintergrund sogar ein Chor. Weihnachten pur.«
Sie war eine Meisterin darin, vor den Augen ihrer Kunden Bilder entstehen zu lassen, erzählte vom Bratapfelgeruch, der über den berühmten Kölner Weihnachtsmärkten hing, dem Duft nach winterlichen Gewürzen in Wien, den mittelalterlichen Gassen Tallinns.
»Und die Pferdeschlittenfahrt, von der Sie träumen, können wir selbstverständlich ebenfalls organisieren. Sie werden nie wieder nach Hause wollen, das kann ich Ihnen versprechen. Ich schicke Ihnen gleich eine E-Mail mit der Reiseroute. Geben Sie mir Bescheid, was Sie davon halten, ja? Vielleicht möchten Sie ja auch lieber weniger Märkte besuchen und sich stattdessen für jeden etwas mehr Zeit nehmen. Wir schneidern Ihnen die Reise genau so zurecht, wie Sie es sich wünschen.«
Sie blickte auf, als ihre Assistentin mit ihrem Baby im Arm die Bürotür öffnete.
Samantha schüttelte knapp den Kopf. Ihre Mitarbeiter wussten genau, dass sie nicht gestört werden wollte, wenn sie telefonierte – vor allem, wenn der Anrufer so wichtig war wie Annabelle Wexford. Was auch immer es gab, es konnte warten.
Sie winkte dem Baby zu und redete weiter.
»Ach, das wird einfach herrlich, Annabelle. In Prag haben wir eine Suite mit Blick auf die Karlsbrücke für Sie reserviert. Dort können Sie nach dem Marktbesuch entspannen und die herrliche Aussicht genießen …«
Samantha brachte all ihre Erfahrungen und ihr gesamtes Wissen in das Gespräch ein – und beides war mehr als umfangreich. Niemand wusste besser als sie, wie man das Beste aus der Weihnachtszeit machte. Seit ihrem Abschluss organisierte sie Individualreisen für Winterurlauber, erst für einen großen Reiseanbieter, nun im Rahmen ihres eigenen Unternehmens.
Nach ihrer Ankündigung, dass sie sich selbstständig machen und ausschließlich auf Winterurlaube spezialisieren würde, gab die Konkurrenz ihr höchstens sechs Monate. Aber Samantha hatte es allen gezeigt. Es gab jede Menge Menschen, die bereit waren, viel Geld für eine zauberhafte Weihnachtszeit zu bezahlen, solange sie bekamen, was sie wollten. Und genau das gab ihnen Samantha.
Ihre FirmaRFH – Really Festive Holidays – boomte. Auf ihrem Schreibtisch stand die Dankeskarte einer begeisterten Kundin an »die Weihnachtskönigin« Samantha. Von einer anderen Kundin wurde sie nur noch »Mrs. Santa« genannt.
Gab es etwas Schöneres, als anderer Leute Träume von der perfekten Weihnachtszeit wahr werden zu lassen?
»Für Wien haben wir Ihnen mehrere Hotels zur Auswahl geschickt – geben Sie einfach Bescheid, welches Ihnen am besten gefällt.«
Fünf Minuten später konnte sie das Telefonat beenden und sich um ihre Assistentin kümmern.
Sie drückte auf den Gegensprechknopf an ihrem Telefon. »Charlotte? Ich bin fertig.«
Charlotte kam mit einem Tablet in der Hand zur Tür. Auf ihrem dunkelblauen Shirt prangte direkt über der Brust ein großer, nasser Fleck.
»Entschuldige bit