8. Kapitel
Michelle betrachtete den Türknauf des Zimmers, in dem sie sich befand. Sie wartete darauf, dass er sich drehte und wieder jemand hereinkam, um ihr Fragen zu stellen. Hier war jeder Tag gleich: Frühstück, Termin beim Psychiater, Mittagessen, Fitnesstraining, dann wieder Psychogeplapper, eine Stunde für sich und schließlich noch mehr Seelenklempnerei, damit sie ihre Gefühle wieder in den Griff bekam und die Gewalt in ihrem Innern im Zaum hielt, um sich nicht selbst zu vernichten. Dann kamen das Abendessen und ein paar Pillen, wenn sie wollte, was für gewöhnlich nicht der Fall war. Zu guter Letzt ging sie ins Bett, wo sie vom nächsten Tag in dieser Hölle träumen konnte.
Als der Türknauf sich nicht drehte, erhob Michelle sich langsam vom Stuhl und ließ den Blick über die vier fensterlosen, hell gestrichenen Wände schweifen. Sie schaukelte auf den Fersen vor und zurück und atmete tief durch, um festzustellen, wie weit ihre Rippen bereits verheilt waren.
Sie hatte nicht viel über jene Nacht in der Bar nachgedacht. Sie war dorthin gegangen, um zu trinken und zu vergessen. Und als sie betrunken war, hatte sie ihr Bestes gegeben, einen Mann umzubringen. Nein, nicht ihr Bestes. Irgendwo tief in ihrem Innern hatte sie den Wunsch gehabt, selbst verletzt zu werden. Vielleicht sogar getötet …? Falls das wirklich ihre Absicht gewesen war, konnte sie sich nicht einmal mehr selbst umbringen.
Kann man ein solches Unvermögen in Worte fassen?
Michelle fuhr herum, als die Tür sich öffnete. Horatio Barnes kam herein. Er trug sein gewohntes Outfit: ausgewaschene Jeans, Sneakers, schwarzes T-Shirt mit aufgedrucktem Bild von einem Joint rauchenden Jimi Hendrix. Seit Michelle hierhergekommen war, hatte sie Barnes schon mehrmals gesehen, doch ihre Gespräche waren stets allgemeiner Natur gewesen. Inzwischen war Michelle zu der Überzeugung gelangt, dass der Mann entweder nicht allzu klug war oder dass ihm nichts daran lag, ob ihr Zustand sich besserte oder nicht.
Kümmert mich das denn?
Barnes hatte ein Bandgerät mitgebracht und bat Michelle, sich zu setzen, was sie auch tat. Sie tat immer, was man von ihr verlangte. Was blieb ihr anderes übrig?
Barnes setzte sich ihr gegenüber und hob das Aufnahmegerät. »Macht Ihnen das etwas aus? Ich fürchte, ich werde vergesslich auf meine alten Tage. Ich bin schon froh, dass ich mir merken kann, wo meine Haustür ist, sonst würde ich in der eigenen Wohnung verhungern.«
Michelle zuckte mit den Schultern. »Mir egal. Nehmen Sie ruhig alles auf.«
Barnes schaltete den Rekorder ein und stellte ihn neben Michelle auf den Tisch. »Und, wie geht es uns heute?«
»Uns geht es super. Wie geht esI