Sonntag,23. April2006
Julia Durant hatte trotz Bereitschaftsdienst ein ruhiges, wenn auch nicht geruhsames Wochenende hinter sich. Sie hatte geputzt, nachdem am Dienstag ihre neuen Möbel eingetroffen waren, die sie nach dem Desaster mit dem »Mann ihrer Träume«, der ihr die große Liebe vorgegaukelt, ihr aber nur die Welt in Form materieller Güter zu Füßen gelegt hatte, ausgesucht und schließlich gekauft hatte. Sie konnte auf einmal das ganze Zeug nicht mehr sehen, die Couch, den Tisch, den Teppichboden, die Gardinen, selbst das Schlafzimmer und das Bad hatten ihr nicht mehr gefallen. Seit gut zwölf Jahren lebte sie in dieser herrlich geschnittenen Altbauwohnung in Sachsenhausen, und genauso alt war der überwiegende Teil der Einrichtung. Julia hatte sich im Laufe der Jahre einiges zusammengespart und am ersten Advent spontan beschlossen, einen Teil davon für die neue Einrichtung auszugeben, nicht ohne vorher die Wände und Decken neu streichen und den Fußboden mit Wildkirschlaminat auslegen zu lassen. Das Einzige, was sie behielt, war die Essgruppe, die sie vor vier Jahren bei einem Schreiner in Hattersheim-Okriftel in Auftrag gegeben hatte. Und obwohl sie nur sehr selten kochte, hatte sie auch eine neue Küchenzeile ausgesucht, die am vergangenen Freitag aufgebaut worden war. Fast zwanzigtausend Euro hatte sie der ganze Spaß gekostet, einschließlich desLCD-Fernsehers, der wie ein Bild an der Wand hing, und der Hi-Fi-Anlage, die direkt darunter ihren Platz gefunden hatte.
Alles strahlte in neuem Glanz, helle Pastellfarben dominierten, weil sie das Blau und Grau nicht mehr ertrug. Gestern und heute hatte sie die Fenster geputzt und den Boden gewischt und gewienert, die Schränke mit einer speziellen Politur behandelt und den Teppich zweimal gesaugt.
Nun, nachdem der größte Teil geschafft war (nur eine Maschine Wäsche musste noch gewaschen werden), stand sie mitten im Wohnzimmer und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, und ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Kein großes Doppelbett mehr im Schlafzimmer, nur noch ein Futonbett, in dem zwar notfalls auch noch eine zweite Person Platz finden würde, aber sie hatte nicht vor, in der nächsten Zeit jemand andern, schon gar keinen Mann, in ihr Bett zu lassen. Wenn sie einen brauchte, dann würde sie es machen wie etliche Male zuvor. Sie würde sich etwas Schickes anziehen, zu ihrer Bar in der Innenstadt fahren und mit jemandem, der ihr gefiel, in einem Hotelzimmer verschwinden, ein paar Stunden mit ihm dort verbringen und so anonym, wie sie ihn kennengelernt hatte, auch wieder verlassen. Keine Namen, keine Adressen. Das Letzte, was sie wollte, war, noch einmal eine Beziehung einzugehen und wieder enttäuscht zu werden. Sie war Single, und sie würde es bleiben, auch das war ein Entschluss, den sie gefasst hatte. Für Kinder war es ohnehin zu spät, und sich für einen Mann zu verbiegen, dazu war sie nicht bereit. Konzessionen schon, aber auch dies genügte den Männern, mit denen sie es in der Vergangenheit zu tun hatte, offenbar nicht. Sie hatte es oft genug versucht und war jedes Mal kläglich gescheitert. Ab sofort würde sie ihr Leben nur noch genießen, auch wenn es immer wieder diese Momente gab, in denen sie sich unendlich einsam fühlte, in denen sie glaubte etwas ganz Wesentliches verpasst zu haben und ihr die Decke auf den Kopf zu fallen schien. Dann machte sie entweder einen langen Spaziergang oder ging ins Fitness-Studio oder telefonierte mit ihrem Vater – oder stürzte sich wie wild in Arbeit.
Doch im Augenblick fühlte sie sich nur wohl, konnte sich kaum sattsehen an all dem Neuen, und sie bereute nicht eine Sekunde, so viel Geld auf einmal ausgegeben zu haben. Als sie im Vorfeld mit ihrem Vater über ihren Entschluss der Veränderung gesprochen hatte, hatte er ihr nur zugeraten und gesagt, sie solle bloß kein schlechtes Gewissen haben. Und er hatte wie so oft recht, ihr Konto war nicht überzogen, selbst auf ihrem Sparbuch waren noch immer über zwanzigtausend Euro, und außerdem hatte sie einen Beruf, in dem sie unkündbar war, ein Privileg, das sie in der heutigen Zeit als einen Segen empfand.
Aber die Wohnung war nicht alles, wa