: Reinhard Rohn
: Leise, stirb leise Kriminalroman
: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
: 9783423426473
: 1
: CHF 7.30
:
: Spannung
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Mörder wird zum Opfer Als junger Mann wurde er zum Mörder. 26 Jahre lang lebt er unentdeckt als angesehenes Mitglied der Gesellschaft, als Ehemann und Familienvater. Aber dann holt ihn die Vergangenheit ein: In Köln wird eine Prostituierte tot aufgefunden, ermordet nach »seinem« Muster von damals. Für Kommissarin Lena Larcher ein Fall, der sie an ihre beruflichen und persönlichen Grenzen treibt.

Reinhard Rohn, 1959 in Osnabrück geboren, lebt in Köln und Berlin und arbeitet als Verlagsleiter. Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt, bevor er selber mit dem Schreiben von Spannungsromanen begann. Unter dem Pseudonym Arne Blum hat er außerdem drei Romane mit Kim, dem Detektivschwein, veröffentlicht. 

1.


Um neun Uhr, hatte Gerald Bohl gesagt, der Kriminaldirektor. Sie solle um neun Uhr ihren Dienst antreten. Sie würde einen Schreibtisch haben und von ihrem Kollegen Henning Mahn eingewiesen werden. Sie solle die Sache ruhig angehen – neun Monate Pause seien keine Kleinigkeit. Der Fall, um den sie sich kümmern solle, sei eigentlich eingestellt worden – eine Frau sei vor über einem Jahr spurlos verschwunden, eine Zeitungszustellerin, die morgens auf ihrer Runde in Riehl wahrscheinlich ihrem Mörder oder einem geheimen Liebhaber begegnet sei, mit dem sie ihr normales Leben verlassen habe. Keine große Angelegenheit, aber das Richtige, um wieder in die alltägliche Polizeiarbeit zu finden. Und wenn die Sache zu anstrengend für sie sei, solle sie sich direkt bei ihm melden.

Ein kurzes, freundliches Telefonat.

Erst nachdem Lena Larcher aufgelegt hatte, war ihr aufgefallen, dass ihre Hände zitterten. Dann hatte die Glocke von Sankt Agnes geschlagen, und sie war zusammengezuckt.

Nach neun Monaten würde sie wieder ins Präsidium gehen – sie galt als gesund, zumindest dienstfähig. Von ihren Kopfschmerzattacken und den gelegentlichen Sehstörungen hatte sie nichts gesagt. Sie musste wieder arbeiten – raus aus der Wohnung, aus den Erinnerungen. Wenn sie die Kraft fände, würde sie auch endlich aus der Wohnung ausziehen, die nun, da Robert und Simon tot waren, viel zu groß für sie war.

Insgeheim wusste sie, dass ihr Vater dahintersteckte – der legendäre Hauptkommissar Georg Larcher, der vor über dreißig Jahren das entführte Mädchen eines Großindustriellen aufgespürt und gerettet hatte. Ihr Vater hatte mit Bohl gesprochen und ihm gesagt: Meine Tochter wird zu Hause verrückt, sie muss wieder arbeiten, findet etwas für sie.

Der Himmel war bewölkt, ein unfreundlicher Oktobertag in Köln. Die Uhr zeigte bereits zwanzig nach acht. Sie sollte sich beeilen, wollte sie nicht zu spät kommen.

Sie hatte nur einen Kaffee getrunken, und irgendwie, während sie sich auf den Weg nach Kalk zum Präsidium machte, hatte sie das Gefühl, gleich kein Wort herauszubringen. Es hatte in den letzten Monaten Tage gegeben, an denen sie nicht ein einziges Wort gesprochen hatte.

Was wäre, wenn Mahn ihr den Autoschlüssel in die Hand drücken würde, damit sie zu einem Einsatzort fuhr? Wieder durchlief sie ein Schauder. Daran hatte keiner gedacht, dass sie nach dem Unfall nicht mehr hinter einem Steuer gesessen hatte. Wahrscheinlich würden sich die stechenden Kopfschmerzen sofort wieder einstellen, sobald sie nur den Zündschlüssel herumdrehen würde.

An der Pforte im Präsidium erkannte man sie noch. Sie zückte ihren Dienstausweis und wurde mit einem freundlichen Lächeln durchgewinkt.

Sie atmete erleichtert auf, als wäre damit tatsächlich eine erste Hürde genommen.

Der Gan