: Christoph Heiden
: Sünderblut
: dp Verlag
: 9783968173931
: 1
: CHF 5.20
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German

Ein Serienmörder und ein junger Kommissar, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird…
Der düstere und rasante Krimi für Fans von Gerlinde Friewald

Nachdem die brutal zugerichtete Leiche eines Verdächtigen, der bei einer Schlägerei einen Mann halb tot geprügelt hat, in einem Fluss auftaucht, stehen die Kommissare Henry Kilmer und Linda Liedke vor einem Rätsel: Die Kehle wurde durchgeschnitten und ein seltsames Zeichen befindet sich auf der Haut. Obwohl alle Kollegen von Treibgutverletzungen ausgehen, ist sich Kilmer sicher, dass das mysteriöse Zeichen vom Täter in die Haut eingeritzt wurde. Als eine weitere Leiche auftaucht, bestätigt sich sein Verdacht und sie erkennen bald, dass sie es mit einem gefährlichen Serienmörder zu tun haben. Für das ungleiche Ermittlerduo beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch der empathische Kilmer droht sich in dem Fall zu verlieren– denn die Geister seiner Vergangenheit scheinen ihn eingeholt zu haben…

Erste Leserstimmen
„Durchgehend fesselnd und den Atem raubend– wow!“
„großartiger Spannungsaufbau, der mich von Beginn an mitreißen konnte.“
„Dieser Kriminalroman wird mir noch lange im Kopf bleiben…“
„Nimmt kein Blatt vor den Mund und kann mitüberraschenden Wendungen punkten.“
„hochspannender, vielschichtiger und düsterer Thriller“



Christoph Heiden ist in Berlin Lichtenberg geboren. Er arbeitete als Küchenhilfe, in der Baumpflege und einer Tischlerei, auf dem Wilmersdorfer Friedhof und im Tierpark Berlin, in einer Videothek, im Catering und in einem Kanuverleih, als Coach fürs kreative Schreiben, am und für das Theater, in der Einzelfallhilfe und diversen sozialen Einrichtungen. Seit 2021 ist er freischaffender Autor. Wenn er keine Romane schreibt, widmet er sich der Bühne, verfasst eigene Stücke oder adaptiert die Stoffe anderer. Christoph Heidens Leidenschaft gilt dem Kriminalroman in all seinen Facetten.

Montag


1


Er passierte unter einer Brücke hindurch die A4 und lief weiter nach Süden. Smog bläute die Luft, und er versuchte möglichst flach zu atmen. Ob er seine Lunge tatsächlich schonte, wusste er nicht. Henry Kilmer war kein Arzt. Henry Kilmer war Polizist.

Sobald das Rauschen des Verkehrs abebbte, drosselte er das Tempo. Er durchquerte ein Gewerbegebiet, rechts ein Autohaus, darauf ein Baumarkt mit Außenlager. Das Funkeln der Großstadt lag nun hinter ihm, und seine Miene begann sich zu entspannen. Zehn Minuten später erreichte er Zöllnitz, eine Gemeinde am Rande Jenas.

Er lief an Fachwerkhäusern und abgeschlossenen Einfahrten vorbei, umrundete den Dorfplatz, die Kirche und die schwarze Kaisereiche. Über eine Brücke, unter der ein namenloses Bächlein floss, verließ er den Ort. Aus Asphalt wurde Sand, aus Fachwerk ein Wirrwarr knorriger Apfelbäume. Ringsum auf den Weiden ein Nebel, der an gärende Milch erinnerte. Ende September waren die Temperaturen rapide gesunken, nachts bis unter fünf Grad. Henry spürte den Anflug eines Kälteschauers und steigerte das Tempo, bis er in Sichtweite eines Waldes kam.

Unter Tannen und Fichten führte ein Pfad auf eine Höhe von 300 Metern. Er schaltete seine Stirnlampe ein und tauchte in die Dunkelheit. Bäume, vom letzten Sturm entwurzelt, versperrten ihm den Weg. Mal duckte er sich unter den Stämmen hindurch, mal kletterte er über sie hinweg. Krallenartige Wurzeln griffen nach seinen Schuhen, unsichtbare Löcher stellten ihm Fallen.

Henry war noch nicht am Gipfel angelangt, da befiel ihn die Erinnerung an einen ehemaligen Mitschüler. Patrick mit der flinken Faust und der gemeinen Lache. Patrick, der Schrecken seiner Kindheit. Trotz der Anstrengung glaubte Henry, die Narbe hinter seinem rechten Ohr zu spüren. Zigarettenausdrücken – darin hatte Patrick Kramer großes Talent bewiesen. Ein Zustand zwischen Frust und Scham erfasste Henry, aber er lieferte sich diesen Gefühlen nicht aus. Er hatte gelernt, das böse Blut mit einem Paar Laufschuhen und einer unwegsamen Strecke zu bändigen. Auf den letzten Metern beschleunigte er und hielt erst am Ziel ein.

Unter den mächtigen Bäumen wirkte das aus zwei Stämmen geschlagene Gipfelkreuz geradezu kümmerlich. Gleich einem Boxer begann Henry vor dem Kreuz zu tänzeln, schlug dabei wilde Haken in die Luft, als hätte er noch Kraft für zehn solcher Gipfel. Als wäre Patrick nicht der Schrecken seiner Kindheit, sondern ein Niemand aus der letzten Reihe. Je stärker seine Muskeln brannten, desto schneller beruhigte sich das Glühen hinter seinem Ohr. Aus dem schrecklichen Patrick wurde der Junge, dessen Leben Henry auf dem Gewissen hatte. Der Frust verging, doch die Scham blieb. Schließlich stakste er auf der Nordseite abwärts, passierte zwei Ortschaften und rannte unter der A4 hindurch nach Lobeda-Ost.

2


Punkt 6:30 Uhr trat Henry aus dem Fahrstuhl in das getäfelte Foyer. Sein Apartment befand sich in einem ehemaligen Hotel, das sich von den umliegenden Plattenbauten kaum unterschied. Mitte der Neunziger waren die Betreiber Bankrott gegangen, woraufhin eine Gesellschaft das Anwesen erworben hatte. Binnen kurzer Zeit waren sämtliche Gästezimmer zu kleinen Wohnungen umgestaltet worden. Heute verrieten allenfalls die Täfelung im Foyer und der alte Tresen die einstige Nutzung.

Als sich vor Henry die gläserne Tür aufschob, erhaschte er einen Blick auf sein Spiegelbild. Das Haar fiel in den Seitenscheitel, die buschigen Brauen stachen hervor. Das braune Jackett über der schwarzen Jeans machte ihn in der Scheibe fast unsichtbar. Henry war kein Mensch, der durch seine Kleidung im Gedächtnis anderer zu bleiben hoffte.

Er trat aus dem Wohnblock, schob seine Umhängetasche auf den Rücken und winkte zur Straße hinunter. Linda Liedke, seine Kollegin, stand mit ihrem Passat in der zweiten Reihe. Grauer Qualm waberte aus dem Fenster auf der Fahrerseite. Während Henry einstieg, drückte Linda ihre Zigarette im Aschenbecher aus und wedelte gleichzeitig die Luft nach draußen.

»Entschuldige«, begrüßte sie ihn.

»Das stört mich nicht«, entgegnete er.

»Unhöflich ist es trotzdem.«

Henry zuckte die Achseln, platzierte seine Umhängetasche im Fußraum und rutschte auf die Beifahrerseite. Linda hatte ihr Handy mit dem Radio verkn