: Friedrich Nicolai
: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker
: e-artnow
: 9788027301102
: 1
: CHF 1.60
:
: Humor, Satire, Kabarett
: German
: 394
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'So vollkommen das Glück dieser Familie war, so drohete es doch ein kleiner Vorfall zu unterbrechen. Es erschien in den letzten Jahren des vergangenen Krieges eine Schrift: Vom Tode für das Vaterland, betittelt. Diese kleine Schrift würde in das ruhige Fürstenthum, so leicht nicht eingedrungen seyn, welches von neuen Schriften, sonderlich von solchen, die sich mit dem Tande der weltlichen Weisheit, und mit dem Spielwerke der schönen Wissenschaften beschäftigten, gar nicht beunruhigt wurde.' Friedrich Nicolai (1733-1811) war ein deutscher Schriftsteller, Verlagsbuchhändler, Kritiker, Verfasser satirischer Romane und Reisebeschreibungen, Regionalhistoriker, Hauptvertreter der Berliner Aufklärung, Freund Lessings, Zelters und Mendelssohns, Gegner Kants und Fichtes.

Erster Abschnitt.


Der Pastor Sebaldus und die schöne Wilhelmine, brachten die ersten Monate nach ihrer Verheirathung, welche sonst andern neuverehlichten Paaren die Zeit einer girrenden Zärtlichkeit zu seyn pflegen, vielmehr in einer Art von Kälte und Verlegenheit zu. Sebaldus bemerkte einen Abstand zwischen seiner landmännischen Treuherzigkeit, und den feinen Hofmanieren seiner vornehmen jungen Frau. Er konnte sich noch nicht recht darum schicken, mit ihr als mit seines gleichen umzugehen. Wilhelmine, auf ihrer Seite, konnte den wohlgeputzten Hof, den sie verlassen hatte, nicht so geschwind vergessen. Das Andenken der Pracht der von der Fürstinn abgelegten Kleider, in der sie sich oft der gaffenden Menge der Zofen und Kammerdiener gezeigt hatte, verleidete ihr ihren ländlichen aber neugemachten Anzug. Es war ihr sogar verdrüßlich, daß sie ferner nicht Aufwartung machen, und sich vor höheren Personen tief verneigen sollte. Das Glück unabhängig zu seyn, schien ihr Erniedrigung. Die ungekünstelte Schönheit der Natur, die sie auf dem Lande vor sich hatte, konnte sie noch nicht wegen des Flitterstaats der Kunst, den sie nun nicht mehr erblickte, schadlos halten. Sie erinnerte sich mit Sehnsucht der glänzenden Scenen von Bällen, Concerten und Schlittenfahrten, die sie oft –angesehen hatte, noch mehr des gnädigen Kopfneigens der Fürstinn, durch das sie zuweilen unter der Menge gaffenden Hofgesindes war hervorgezogen worden. Sie that bey jeder Gelegenheit kleine Reisen in die Stadt, und unterließ nicht, ihre Aufwartung bey Hofe zu machen. Sie merkte aber gar bald, daß man sich am Hofe um die nicht bekümmert, die man nicht braucht, und daß ihre Stelle von andern eingenommen war. Dies kostete ihr zwar manche Thräne, war aber doch die erste Ursach, daß ihr ihr itziger Zustand erträglicher vorkam, und daß sie anfieng, die guten Gesinnungen ihres Sebaldus anzusehen, welche zu bemerken, sie bisher durch sein unmodisches Kleid und durch seine ungepuderte Peruke war verhindert worden. Sie erwiederte seine Liebkosungen mit freundlichen Blicken, er kam ihr mit Freundschaftsbezeugungen zuvor. Aus diesem Wechsel von Gefälligkeiten, entstanden bey beiden Empfindungen einer Glückseligkeit, die sie vorher noch gar nicht gefühlt hatten.

Von dieser Zeit an, vergaß die schöne Wilhelmine völlig den Hof, und ward ganz eine Landwirthin. Vorher hatte sie nur zu gehorchen gewust, nun begann sie zu regieren. Es kostete ihr einige kleine Liebkosungen, so fieng Sebaldus, der bisher als ein halber Wilder gelebt hatte, an, sich fleissiger den Bart zu putzen, und nicht so viel Federn auf seinem schwarzen Rocke zu leiden. Durch gleiche Freundlichkeit, erstreckte sie bald ihre Herrschaft auf ihre Nachbarinnen, die sie bisher durch ein gnädiges Hoflächeln weggescheuchet hatte. Nun erwarb sie bald derselben Vertraulichkeit, ertheilte den Wohlhabenden guten Rath, den Armen Allmosen, und ward in kurzer Zeit im Kirchspiele eben so beliebt, als ihr Mann schon vorher gewesen war.

Diese Liebe hatte sich Sebaldus durch die Sorgfalt, die er für seine Gemeine trug, erworben. Er war in den Häusern seiner Bauern als ein Vater und als ein Rathgeber willkommen. Nie ließ er es dem Bekümmerten an Trost, nie dem Hungrigen an Labsal fehlen. Er war von allen häuslichen Vorfällen unterrichtet, nicht, weil er in das Hausregiment de