: Andreas Winkelmann
: Das Haus der Mädchen Hamburg-Thriller
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644404809
: Kerner und Oswald
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Leni kommt nach Hamburg, um dort ein Praktikum zu machen. Über eine Zimmervermittlung mietet sie sich in einer Villa am Kanal ein. Schnell freundet sie sich mit ihrer Zimmernachbarin an - aber die ist am nächsten Morgen spurlos verschwunden. Weil ihr das merkwürdig vorkommt, sucht sie nach ihr. Freddy Förster, früher erfolgreicher Geschäftsmann, ist inzwischen auf der Straße gelandet. Zufällig beobachtet er, wie jemand einen Mann am Steuer seines Autos erschießt. Um nicht zum nächsten Opfer zu werden, sucht er den Mörder. Bis er auf Leni trifft, die das Verschwinden ihrer neuen Freundin nicht hinnehmen will. Bald begreifen die beiden, dass ihre beiden Fälle mehr miteinander zu tun haben, als ihnen lieb ist - und dass sie in großer Gefahr schweben ...

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen.

Kapitel 1


1.


Der Mann am Straßenrand erinnerte Oliver an einen Untoten. Groß und vogelscheuchendürr, schlich er gebückt durch den feinen Nieselregen, die Schultern nach vorn gebeugt, das Kinn auf der Brust. Seine Arme schlenkerten hin und her, als habe er keine Kontrolle über sie, er torkelte auf steifen Beinen von einer Seite des Gehsteiges zur anderen. Die Straßenlaternen übergossen ihn mit schmutzig fahlem Licht. Sein langer Mantel reichte ihm bis in die Kniekehlen, die losen Enden des Gürtels wehten hinter seinem Rücken wie zwei zusätzliche Arme.

Eine Nachtgestalt, wie es sie viele gab in der Stadt, ein obdachloser Streuner auf der Suche nach einem Lager. Vielleicht hatte ihn jemand fortgejagt von dem Platz, an dem er es sich für die Nacht bequem gemacht hatte. Das Leben auf der Straße war gefährlich. Erst vor zwei Wochen war ein Landstreicher im Stadtpark von Unbekannten angezündet worden. Mit schwersten Brandverletzungen war er in die Notaufnahme gekommen, wo Oliver ihn im Vorbeigehen gesehen hatte. Ein Klumpen Fleisch, mit der Kleidung verschmolzene schwarze Krusten, hie und da nässende rote Inseln. Nur Beine und Füße waren unversehrt geblieben, und der sportlich-fröhliche Nike-Schriftzug auf den verdreckten neongelben Laufschuhen hatte sich Oliver tief ins Gedächtnis eingebrannt. In dem Moment war er froh gewesen, als Krankenpfleger auf Station zu arbeiten und nicht in der Notaufnahme. Zwar bekam er auch dort Schlimmes zu sehen, hatte aber deutlich mehr Zeit, sich darauf einzustellen.

Der Untote auf dem Gehweg torkelte gegen einen Laternenpfahl, hielt sich einen Moment daran fest, stieß sich ab und driftete zur Fahrbahn hin. Falls er stürzte, würde Oliver ihm helfen müssen. Wegsehen und weiterfahren verbot ihm die Berufsehre, aber mitten in der Nacht seinen Wagen zu verlassen, um einem offensichtlich unter Alkoholeinfluss stehenden Mann zu helfen, ängst