: Charlotte Brontë
: Jane Eyre - Eine Autobiographie (Illustriert) (Vollständige deutsche Ausgabe)
: AuraBooks – eClassica
: 9783956900945
: 2
: CHF 0.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 620
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
s Buches
- Portraits von Charlotte Brontë

»Jane Eyre« ist eine moderne Aschenputtelgeschichte. Das Ringen zwischen Fremdbestimmung und Autonomie ist das Spannungsfeld, in dem sich Jane Eyr

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Erstes Kapitel

Es ist etwas Seltsames um Vorahnungen! Und ebenso um Sympathien, und dasselbe ist's mit Vorbedeutungen. Die drei zusammen bilden ein Geheimnis, zu dem die Menschheit den Schlüssel noch nicht gefunden hat. Ich habe in meinem ganzen Leben nichtüber Vorahnungen lachen können; denn ich selbst habe deren gar eigentümliche gehabt. Sympathien existieren ebenfalls; das glaube ich bestimmt (zum Beispiel zwischen lange abwesenden, weit entfernten Verwandten, die einander schon seit langer Zeit entfremdet sind und trotzdem Sympathien haben, welche genau die Gemeinsamkeit ihres Ursprungs kennzeichnen) Sympathien, deren Wirkungen weitüber unser Begriffsvermögen hinausgehen. Und was wissen wir denn– Vorbedeutungen sind vielleicht die Sympathien, welche die Natur mit dem Menschen hat. Als ich ein kleines Mädchen von kaum sechs Jahren war, hörte ich eines Abends, wie Bessie Leaven zu Marthe Abbot sagte, ihr habe von einem kleinen Kinde geträumt, und es sei eine sichere Vorbedeutung von Kummer und Unglück für einen selbst oder die Angehörigen, wenn man von Kindern träume. Dies Gespräch würde sich meinem Gedächtnis wahrscheinlich gar nicht eingeprägt haben, wenn nicht gleich darauf ein Umstand eingetreten wäre, der dazu gedient, es dort für immer festzuhalten. Am nächsten Tage wurde Bessie nach Hause an das Totenbett ihrer jüngsten Schwester geholt.

In letzter Zeit war mir jenes Gespräch zusammen mit dem darauffolgenden Zwischenfalle oft wieder eingefallen. Denn während der letzten Woche war kaum eine Nacht hingegangen, die mir nicht den Traum eines Kindes gebracht hätte. Zuweilen wiegte ich es in meinen Armen, dann wieder schaukelte ich es auf meinen Knien, manchmal sah ich es auch draußen im Garten auf dem Grasplatze mit Frühlingsblumen spielen oder in einem rieselnden Quell bunte Steinchen und Kiesel suchen. In dieser Nacht war es ein weinendes Kind, in der nächsten ein lachendes; jetzt schmiegte es sich schmeichelnd an mich, dann steh es wieder voll Furcht vor mir. Welche Stimmung die Erscheinung aber auch zur Schau tragen mochte, welche Gesichtszüge sie tragen mochte– sie verfehlte nicht, mir an sieben aufeinanderfolgenden Nächten entgegen zu treten, sobald ich die Augen zum Schlummer geschlossen hatte.

Mir war diese stete Wiederkehr eines einzigen Gedankens unheimlich– diese seltsame Wiederkehr des gleichen Bildes beunruhigte mich, und ich wurde nervös, wenn die Zeit des Schlafengehens näher kam und mit ihr die Vision. Die Gesellschaft dieses Kinderphantoms war es gewesen, die mich in jener Mondscheinnacht geweckt, als ich den Schrei hörte. Und am Nachmittage des folgenden Tages kam eine Dienerin mit der Botschaft zu mir, dass in Mrs. Fairfaxs Zimmer jemand sei, der mich zu sprechen wünsche. Als ich hinunter kam, fand ich einen Mann, der auf mich wartete; er sah aus wie ein herrschaftlicher Kammerdiener; er war in tiefe Trauer gekleidet und der Hut, welchen er in der Hand trug, war in Krepp gehüllt.

»Sie werden sich meiner kaum noch erinnern, Miss«, sagte er, indem er sich bei meinem Eintritt erhob,»aber mein Name ist Leaven; als Sie vor acht oder neun Jahren in Gateshead waren, war ich Kutscher bei Mrs. Reed; ich bin auch jetzt noch in ihren Diensten.«

»O, Robert. Sie sind's! Wie geht es Ihnen? Ich erinnere mich Ihrer noch sehr wohl. Sie ließen mich ja zuweilen auf Miss Georgines braunem Pony reiten. Und wie geht es Bessie? Sie sind doch mit Bessie verheiratet?«

»Ja, Miss. Meine Frau ist kerngesund. Danke für die Nachfrage;– vor zwei Monaten hat sie mir wieder ein Kleines geschenkt– wir haben jetzt drei– und Mutter und Kinder gedeihen gut.«

»Und ist die Familie im Herrenhause auch gesund, Robert?«

»Es tut mir leid, Miss, dass ich Ihnen von dort keine besseren Nachrichten bringen kann; aber es geht ihnen augenblicklich sehr schlecht– sie haben großen Kummer.«

»Ich hoffe, dass niemand von ihnen gestorben ist«, sagte ich, indem ich auf seinen schwarzen Anzug deutete. Auch er blickte auf den Krepp an seinem Hute und sagte:

»Mr. John ist gestern vor acht Tagen in seiner Wohnung in London gestorben.«

»Mr. John?«

»Ja, Miss.«

»Und wie trägt seine Mutter es?«

»Nun sehen Sie, Miss Eyre, dies ist kein gewöhnliches Unglück; er hat ein gar wildes Leben geführt. Während der letzten drei Jahre hat er gar sonderbare Dinge getrieben– und sein Tod war fürchterlich.«

»Ich hörte von Bessie, dass er nicht gut tat.«

»Nicht gut tat! Barmherziger Gott! Er konnte nichts Schlimmeres tun! Er hat seine Gesundheit und seine Güter zu Grunde gerichtet in Gesellschaft der schlechtesten Männer und der schlimmsten Weiber. Er geriet in Sch