1
»Wenn du ’ne Linie ziehst zwischen Amsterdam und Kopenhagen, dann liegt Fredenbüll genau auf der Mitte«, sagt Klaas, der in Fredenbüll die Post austrägt. »Jo, is so.«
Er demonstriert das immer wieder gern anhand eines Bierglases zwischen zwei Jägermeisterfläschchen an einem der beiden Stehtische in dem Fredenbüller Imbiss »De Hidde Kist«.
»Genau genommen zwischen Reusenbüll und Neutönninger Siel«, wendet Piet Paulsen ein, Landmaschinenvertreter im Ruhestand.
Aber das spielt eigentlich keine Rolle, denn für die Fredenbüller ist es der Mittelpunkt der Welt. Der Ort hat drei Deiche, hundertsechsundsiebzig Einwohner, einschließlich einer echten Adelsfamilie, aber ohne die drei Wochenendhäuser, und sechshundert Schafe, hauptsächlich Bio. Es ist alles da, was man braucht: Edeka mit Lotto/Toto, Filiale vom Bäcker Hansen aus Husum, »Salon Alexandra« und natürlich »De Hidde Kist«, wo Wirtin Antje »Internationale Spezialitäten« serviert, vom »Halben Brötchen mit herzhaftem Landmett« über Sauerfleisch in Gelee bis zum »Putenschaschlik Hawaii«. Neuerdings gibt es auch Croque.
»Wird aber noch nich so angenommen«, klagt Antje. »Alle woll’n immer nur meine Rote Grütze mit Schuss.«
Für einen Kammermusikabend auf dem Gut der von Rissens musste Antje kürzlich sogar siebzig Portionen ihrer Roten Grütze anliefern.
»Könnt ich mich reinsetzen, in Antje ihre Rode Grütt«, sagt Klaas.
»Jo, is mal wat anderes«, findet auch Piet Paulsen.
Fredenbüll hat auch eine Polizeistation. Noch. Und Polizeiobermeister Thies Detlefsen will, dass das so bleibt. Die kleine Wache neben der Freiwilligen Feuerwehr in dem Backsteinbau ist nämlich vom Kieler Rotstift bedroht.
»Ich hab dat Schreiben mal dabei. Hier, Briefkopf, direkt vom Innenminister in Kiel.«
»Na, wat will er denn?«, fragt Klaas. »Antje, machst für Thies erst mal ’n Bier.«
»Hier«, Thies Detlefsen liest langsam vor, »im Zuge einer Weiterentwicklung der Sicherheitsstrukturen im ländlichen Bereich ist eine Zentralisierung regionaler Polizeiposten geplant.«
»Dat hört sich irgendwie nich gut an«, findet auch Antje und zieht energisch den Frittierkorb mit einer Portion Pommes aus dem heißen Fett.
»Dabei hatten sie mir letztes Jahr sogar ’n neues Dienstfahrzeug in Aussicht gestellt.«
»Erst ham sie Klaas sein Postamt plattgemacht und jetzt ... Dat is ’ne Sauerei.« Landmaschinenvertreter a. D. Piet Paulsen zieht die Lederweste, die er das ganze Jahr trägt, stramm, nimmt zwei leere Flachmänner von Stehtisch zwei und stellt sie zu Antje auf den Glastresen.
»Dabei is die Wache mit einem Mann kaum zu schaffen.«