: Lilly Bernstein
: Findelmädchen Aufbruch ins Glück | Der neue Roman der Bestsellerautorin entführt ins Köln der Fünfzigerjahre
: Ullstein
: 9783843727303
: 1
: CHF 7.40
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Wirtschaftswunder und die Nachwehen des Krieges: Eine junge Frau erkämpft sich ihren Weg Köln 1955: Die 15-jährige Helga und ihr Bruder Jürgen leben endlich wieder bei ihrem aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Vater. Von der Mutter fehlt seit Kriegsende jede Spur. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine neue Existenz auf, Jürgen beginnt bei Ford. Helga aber, die sich nichts sehnlicher wünscht, als aufs Gymnasium zu gehen, soll sich in der Haushaltungsschule auf ein Leben als Ehefrau vorbereiten. Während eines Praktikums im Waisenhaus muss sie entsetzt mitansehen, wie schlecht die Kinder dort behandelt werden. Schützend stellt sie sich vor ein sogenanntes »Besatzerkind«. Und sie verliebt sich. Doch die Schatten des Krieges bedrohen alles, was sie sich vom Leben erhofft hat ... Die Presse über Trümmermädchen. Annas Traum vom Glück »Bedrückend, eindringlich und hoch emotional.« Cathrin Brackmann, WDR 4 »Gut recherchiert und voller Herzenswärme.« Susanne Schramm, Kölnische Rundschau

Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Romane Trümmermädchen und Findelmädchen waren große Presse- und Publikumserfolge. 

1. Kapitel


»Wunderbar«, murmelte Tante Claire und strich ein letztes Mal mit den Zinken einer Gabel durch die Schokoladencreme, die den Kuchen rundum bedeckte. »Schau,ma chérie, das ergibt ein hübsches Muster. Jetzt sieht unsere Biskuit­rolle aus, als sei sie der Ast eines Baumes. Meinst du nicht auch?«

»EinBûche de Noël«, flüsterte Helga, »ein Baumstammweihnachtskuchen.«

Der heutige Heilige Abend war der achte, den sie in Frankreich verbrachte, und immer noch verschlug es ihr beim Anblick der Köstlichkeiten, die Tante Claire zu diesem Anlass zauberte, den Atem.

Seit dem frühen Morgen standen sie in der großen Küche im Kellergewölbe des alten Herrenhauses und bereiteten das Festmahl für den Abend vor. Linette, das Küchenmädchen, hatte wie alle anderen Bediensteten an diesem Tag frei. Sie würden erst am Nachmittag wiederkommen, zum gemeinsamen Kirchgang. Helga genoss diese stillen Stunden mit Tante Claire über alle Maßen. Niemand, der sie hinter vorgehaltener Handboche schimpfte, dickschädelige Deutsche. Und Tante Claire ganz für sich allein.

Mit vor Eifer geröteten Wangen flitzte Helga zwischen dem bullernden Herd und der Speisekammer hin und her und brachte alles herbei, was Tante Claire benötigte. Sie fachte das Feuer an und spülte die kupfernen Töpfe und Schüsseln, bis sie blitzblank glänzten. Sie probierte die Buttercreme und die Maronenfüllung für den Braten, durfte ein wenig von den Crevetten naschen und sogar eine kleine Auster. Und obwohl Helga dafür eigentlich schon zu groß wa