: Karin Fossum
: Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein Kriminalroman
: Piper Verlag
: 9783492985345
: 1
: CHF 6.50
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der elfte Fall für Kommissar Sejer aus der Feder von Norwegens Bestsellerautorin Karin Fossum. Es war nur ein Augenblick. Nur einen kurzen Moment haben Carmen und Nicolai ihren kleinen Sohn aus den Augen gelassen, da passierte die Katastrophe. Alle sind sich einig: ein tragischer Unfall. Einzig Kommissar Sejer spürt, dass etwas nicht stimmt, und beginnt zu ermitteln: Wie kam der gehbehinderte Junge aus dem Haus? Warum war das Kind nackt? Welche Rolle spielt die Mutter? Etwas scheint in der jungen Familie nicht mit rechten Dingen zugegangen zu sein...

Karin Fossum, geboren 1954 in Sandefjord/Norwegen, lebt in Sylling bei Oslo. Ihre international erfolgreichen Romane um Kommissar Konrad Sejer sind vielfach preisgekrönt und wurden fürs Kino und Fernsehen verfilmt. In Deutschland erschienen von ihr unter anderem »Stumme Schreie«, ausgezeichnet mit dem Los Angeles Times Book Award 2008, »Dunkler Schlaf«, »Schwarze Sekunden«, von der Schwedischen Akademie mit dem Preis des besten ausländischen Kriminalromans ausgezeichnet, und zuletzt »Wer anders liebt« und »Böser Wille«.

 

Der Schwindel kam in heftigen Stößen, und obwohl er dagegen ankämpfte, verlor er das Gleichgewicht. Er versuchte nach besten Kräften, sich auf den Beinen zu halten, taumelte zum Spiegel an der Wand und starrte in sein eigenes Gesicht. Nein, es geht nicht, ich schaffe es nicht, es ist sicher eine Geschwulst, dachte er, vermutlich im Gehirn, warum sollte ich verschont werden, ich bin ja auch nicht besser als die anderen, kein bisschen besser. Natürlich ist es Krebs. Daran sterben wir doch fast alle, jeder Dritte, dachte er, oder jeder Zweite, wenn wir nur alt genug werden. Und bald bin ich ein alter Mann, ich bin schon auf dem halben Weg zur Hundert. Jetzt werde ich vermutlich sterben. So, wie Elise mit vierzig an Krebs gestorben ist. Langsam, über lange Zeit hinweg, wurden ihr die Kräfte genommen. Bleich, gelblich und abgemagert, mit Leberversagen und allem, was dazugehört, einem Anfall von hysterischer, ungebremster Zellteilung, so lag sie in diesen letzten Stunden in einem weißen und kühlen Bett im Rikshospital. Nein, jetzt nicht daran denken, es muss doch mal reichen mit dem Elend.

Er blieb eine Weile an die Wand gelehnt stehen. Wollte ruhig und gleichmäßig atmen, zur Besinnung gelangen. Na gut, dann ist es jetzt eben so, dachte er, ich kann ja nicht behaupten, ich wäre unvorbereitet, denn das bin ich nicht. Ich habe ja gewusst, dass es so enden wird, ich weiß es schon viel zu lange, im Unterbewusstsein habe ich schon lange mit der Angst gelebt, dass es mich treffen würde. So, wie es Elise getroffen hat, wie ein Blitzschlag. Sie wurde getroffen von einer wütenden und aggressiven Krankheit, einem verbissenen Heer aus Krebszellen auf Wanderung durch ihren Körper, jetzt nehmen wir uns die Lunge vor, jetzt das Skelett, jetzt das Gehirn. Jetzt zersetzen wir diesen Organismus, denn das ist unser Wesen. Aber geh die Sache mit Würde an, dachte er, mach kein Drama draus, das kommt nicht gut an. Andererseits könnte es ja eine Bagatelle sein. Lieber Gott, mach, dass es nur eine Bagatelle ist. Welcher Gott, dachte er dann in seiner Verzweiflung, ich habe ja keinen Gott, und vielleicht muss ich sterben. Danach gibt es nur noch Leere und Dunkelheit, ein Nichts, eine ohrenbetäubende Stille. Das Mobiltelefon piepte in seiner Tasche und er versuchte sich zusammenzureißen, diesem ganzen Chaos zum Trotz, er musste auch mal einen Punkt machen. Er hob das Telefon an sein Ohr, hörte am anderen Ende der Leitung die Stimme von Jacob Skarre, seinem Kollegen, und Skarre wirkte ein wenig hektisch. Wieder wurde er von einem Schwindelanfall überwältigt. Das Telefon fiel ihm aus der Hand, und rasch bückte er sich, um es wieder aufzuheben. Aber aus Versehen versetzte er dem Apparat einen Tritt und das Telefon schoss über den Boden und unter das Sofa. Er fluchte und kniete mühsam nieder, legte sich danach auf den Bauch und robbte weiter. Entdeckte das Telefon ganz hinten bei der Fußbodenleiste. Aber da war auch noch etwas anderes, etwas Winziges und Rotes, wie er jetzt sehen konnte. Zu seiner Überraschung entdeckte er, dass es ein Legostein war. Der musste hier liegen und dem Besen entgangen sein, seit Matteus klein gewesen war, was für eine Schlamperei. Es war ein Vierer. Ein schönes und perfekt geformtes