Emil Rohrmoser, der Verwaltungsdirektor der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, kümmerte sich eigentlich nie um die personellen Angelegenheiten seines Krankenhauses. Dafür war der medizinische Leiter der Klinik zuständig.
Prof. Lutz Weidner nahm jeden einzelnen Arzt und jede einzelne Pflegerin vor deren Einstellung genau unter die Lupe. Er hatte eine Art sechsten Sinn für gute Mitarbeiter, und wen er in die über zweitausend Mitglieder zählende Großfamilie aufnahm, um den kümmerte er sich auch beinahe wie ein Vater.
Für das nichtmedizinische Personal war Margarete Jellinek, die Personalchefin, zuständig.
Direktor Rohrmoser hatte genug damit zu tun, die Großklinik durch die recht instabile Wirtschaftslage zu steuern, und das gelang ihm so gut wie kaum einem anderen Klinikchef.
Als er allerdings an diesem wunderschönen Hochsommermittag satt und zufrieden aus der Cafeteria kam und die große Einganghalle durchquerte, um in sein Büro in der obersten Etage des Krankenhauses zurückzukehren, machte er eine Ausnahme.
Er drückte gerade auf den Rufknopf des Fahrstuhls und schälte den Schokoriegel ab, den er sich als Wegzehrung mitgenommen hatte. Dabei fiel sein Blick zufällig auf die gläserne Drehtür, durch die unaufhörlich Besucher und Patienten strömten, und er entdeckte ein bekanntes Gesicht, das aus der Menge herausstach.
„Heiliger Dingsbums! Noch ein paar Zentimeter, und seine Kinnlade schleift auf dem Boden“, grummelte Emil Rohrmoser.
Er setzte dazu an, sich auf die Zehenspitzen zu erheben, um die Menschenmenge zu überragen, ließ es aber dann doch lieber sein. Bei seinem Übergewicht war das eine zu riskante Angelegenheit. Stattdessen reckte er seinen Arm hoch über den Kopf und winkte mit dem angebissenen Schokoriegel.
„Herr Dr. Haas? Hallo! Huhu! Hierher!“
„Ich?“ Tristan Haas, der zweiundvierzigjährige Mitarbeiter der Notaufnahme, schaute sich suchend um. „Wer …? Ah, Herr Direktor!“ Er eilte auf Herrn Rohrmoser zu, und sein Gesicht wurde noch eine Spur länger, als dieser ihn mit den Worten „Sie sind übrigens gefeuert“ empfing. „Oh! Ja? Na ja. Okay.“
Der füllige Verwaltungsdirektor schüttelte, verdrossen durch die Nase schnaubend, den Kopf.
„Oh, ja, na ja, okay“, äffte er Tristan nach. „Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?“
Tristan zuckte mit den Schultern.
„Na ja, was gibt es dazu denn sonst noch zu sagen?“
„Sie könnten protestieren!“, empörte sich Emil. „Mir mit dem Arbeitsgericht drohen. Oder wenigstens nach dem Grund fragen. Herrgott noch mal!“
„Wozu denn? Ich kann mir ja ohnehin denken, warum Sie mich loswerden wollen.“
Tristan hatte nicht mehr die Kraft dazu, sich gegen was auch immer aufzulehnen. Er steckte gerade in der schlimmsten Krise seines Lebens. Die Kündigung war nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Demoralisiert, wie er ohnehin schon war, war es ihm, offen gestanden, ziemlich egal, wenn sich zu