Kapitel 1 - Unser erstes gemeinsames Weihnachten
Hannes
Sonntag, 24. Dezember
»Oooooooooh … jingle bells, jingle bells, jingle all th…«
»Santo cielo … hör bitte auf mit dem Rumträllern, das geht jetzt schon den ganzen Tag so. Da bekommt man ja Kopfschmerzen.«
»Phü, so schlecht singe ich doch gar nicht!«
»Ich hab inzwischen hundert Mal ›Last Christmas‹ gehört. So sehr ich dich liebe, mi amor, aber dein Gesang steuert leider keinen Mehrwert bei.«
»Für mich schon. Und das Lied heißt übrigens ›Jingle Bells‹.«
»Chico, por favor … kannst du nicht mal fünf Minuten langohneWeihnachtsmusik den verdammten Schmuck aufhängen?«
»Du Banause! Das gehört zum Weihnachtsschmuck dazu!«
»Das stand definitiv nicht auf dem Beipackzettel.«
»Weil du den Schmuck sonst nicht gekauft hättest.«
Ich kletterte von der Leiter, auf der ich balanciert war, um die Girlande im Korridor über dem Durchgang zum großzügigen Wohnzimmer anzubringen.
»So. Fertig.« Zufrieden klatschte ich in die Hände, bevor ich die Leiter zusammenklappte und in dem Abstellraum verstaute, der sich im Flur unseres New Yorker Apartments befand.
Danach glitt mein Blick in den Wohnbereich, um nach meinem Verlobten Ausschau zu halten.
Auf der rechten Seite des ausladenden Raumes hatte Angel eine moderne Sofalandschaft aus hellgrauen Möbeln positioniert. Rechts davon befanden sich Minibar, ein paar Kommoden sowie das Bücherregal, in dem ich meine Schätze aufbewahrte. Und natürlich unser Aquarium mit den beiden Goldfischen Elvis Nummer zwei und Toni Nummer vier. Vor dem Sofa stand ein imposanter Flachbildfernseher und dahinter breitete sich eine lange Fensterfront aus.
Da unser Loft im zwölften Stock lag, bot sich uns eine atemberaubende Sicht auf das winterliche New York und sogar einen Teil des verschneiten Central Parks. Die Sonne schien und ich blieb einen Moment an den Strahlen hängen, die über den mit dunkelgrauen Steinplatten belegten Boden krochen, als suchten sie ebenfalls nach dem Weihnachtsgeist.
Ja, womöglich bestand dieser unter anderem aus dem Bratenduft, der von links aus der offenen Küche das Loft erfüllte. Denn mein Verlobter (aka Angel de Flores, Ex-SEAL und schönster Mann der Welt, zumindest für mich) gönnte dem Truthahn, der im Ofen vor sich hin schmorte, soeben eine weitere Runde Bratensaft-Dusche. Sein bisher einziger Beitrag zum Thema Weihnachten. Für den Rest des Christmas Feelings sorgte ich, aber das tat ich supergern.
Ich liebte Weihnachten!
Den Platz zwischen Küche und Sofalandschaft hatte Angel für seinen Mahagonitisch auserkoren, der aus einer Auktion von der Auflösung eines alten New Yorker Hotels stammte.