: Volker Streiter
: Nacht über Föhr Historischer Küstenkrimi
: Emons Verlag
: 9783960413318
: 1
: CHF 9.90
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 352
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine atmosphärisch dichte Zeitreise ins Biedermeier am Vorabend des deutsch-dänischen Krieges. Föhr 1845: Der vierzehnjährige Schiffsjunge Ingwer Martens wird ermordet an der Lembecksburg gefunden, die Haut übersät mit eingeritzten Zeichen. Ist Südseeinsulaner Pana der Täter? Reiseschriftsteller Johann Kohl hat seine Zweifel und hilft Postausträgerin Mariane Brodersen, die Panas heimliche Geliebte ist, dessen Unschuld zu beweisen. Ingwers kleine Schwester Laura sucht den Mörder unterdessen im Kreis der wohlhabenden Badegäste. Doch die Föhrer Gesellschaft ist rätselhaft verstrickt. Als Laura plötzlich spurlos verschwindet, überschlagen sich die Ereignisse.

Volker Streiter, geboren im westfälischen Soest, ließ sich nach seiner Polizeiausbildung in Köln nieder. Als Polizist streifte er durch Trabantenstädte wie Millionärshäuser, war Einsatztrainer und ist Teil der 'Stadtteilpolizei'. In der Freizeit lässt er aus Spaß am Schreiben und der Faszination für die Natur in schönen Gegenden morden.

DUNKLER KAI

Johann Georg Kohl trat an den Bug des Zweimasters und schaute in die kalte Nacht. Vor ihm lösten sich eine Handvoll Lichter aus der klammen Schwärze, die ihn umgab. Das Segelschiff glitt lautlos auf die Küste zu. Fröstelnd schloss er seinen Reisemantel, drückte den Zylinder in die Stirn und schlug den Kragen hoch. Er war ein Mann von siebenunddreißig Jahren, dessen leicht nach unten hängender Schnauzbart zu seinem Leidwesen bereits zu ergrauen begann. Bald würde er die Insel Föhr betreten und mit seinem Bericht beginnen. Nach diesem ersten Eiland sollten andere folgen. Neugierig fragte er sich, wie der Badetourismus, dieser Zeitvertreib der besseren Gesellschaft, sich auf die eher einfache Lebensweise der Inselfriesen auswirkte.

»Dass man aber auch zu einer so grässlichen Zeit übersetzen muss«, seufzte eine junge Frau, die sich unbemerkt zu ihm gesellt hatte. Der schwache Schein einer Laterne beleuchtete von der Reling her ihr von einer Haube umrahmtes Gesicht.

Makellos und ein bisschen wächsern, dachte Kohl und legte zum Gruß die Hand an den Rand seines Zylinders. Natürlich war ihm die Dame bereits unter den Passagieren aufgefallen, als man vom Festland aus in See gestochen war. Ihr Haar war gänzlich bedeckt, über ihren Schultern lag ein gestricktes Tuch. Während der Überfahrt hatte sie sich in eine Ecke des Zweimasters zurückgezogen und schien am Treiben auf dem Schiff nicht sonderlich interessiert.

»Ja, nun, meine Dame, man hätte sich auch für eine Kutschfahrt durch das Watt entscheiden können. Die Fahrt soll gar nicht so lange dauern. Aber den Zeitpunkt haben wir wohl verpasst. Leider kann der Mensch sich nicht gegen die Gezeiten stellen«, erklärte er und strich über seinen Oberlippenbart. »Wenn dann die Fluten sich anbieten, uns um zwei Uhr in der Nacht an ein neues Gestade zu spülen, so dürfen wir uns dem nicht verweigern. Luna bestimmt ihr Auf und Ab.« Mit diesen Worten blickte er nach oben und deutete auf die schmale, immer wieder durch Wolken verdeckte Mondsichel.

»Luna und die Gestade«, wiederholte die Dame und lächelte. »So etwas hört man selten auf einer Überfahrt nach Föhr. Selbst die Kurgäste, die das eintönige Leben unserer Insel bereichern, sprechen nicht so romantisch. Fast könnte ich meinen, Sie seien ein Dichter.«

»Reiseschriftsteller«, antwortete Kohl lächelnd und verbeugte sich leicht. »Johann Georg Kohl, zu Ihren Diensten. Ich bereise die Welt und berichte meinen Lesern über Land und Leute. Nach einem ausgiebigen Aufenthalt in den Weiten Sibiriens möchte ich den Menschen die Reize dieser Küste näherbringen. Dazu ist es natürlich unverzichtbar, die Besonderheiten Föhrs zu erwähnen.«

»Heinke Kerstina Emma Kühl, im praktischen Leben kurz Emma Kühl.« Sie hob ihr Kleid eine Handbreit und knickste. »Als stolze Wykerin muss ich Ihnen da recht geben. Föhr ist einzigartig. Wie erfreulich zu hören, dass die Schönheit meiner Insel nun eine weite Verbreitung erfahren wird. Werden Sie länger bleiben? Und wo gedenken Sie zu logieren?«

»Die Kurverwaltung konnte mir eine Herberge vermitteln. Trotz des ausgehenden Sommers scheinen die Möglichkeiten einer adäquaten Unterkunft begrenzt. Der Apotheker in Wyk war so freundlich, mir noch Obdach zu gewähren.«

»Apotheker Leisner? Ja, richtig, er h