1.
Heather
Eine Woche später
Mit angehaltenem Atem stehe ich vor dem Zimmer meiner Tochter. Ich habe die Beine ein wenig gespreizt – auf diese Art und Weise zittern meine Knie nicht ganz so arg. Die Arme habe ich vor der Brust verschränkt, als wäre ich verärgert. Dabei ist das gar nicht der Fall. Kayla gibt mir nie einen Grund, verärgert zu sein. Sie ist kein typischer Teenager, aber ich denke, ich bin genauso wenig die typische Mutter. Natürlich sind wir Mutter und Tochter, doch in erster Linie sind wir beste Freundinnen. Ich will nicht behaupten, dass wir gar nicht streiten. Immerhin sind wir Menschen – keineswegs perfekt. Aber wenn wir schon einmal streiten, dann meist wegen unwichtiger Dinge, wie zum Beispiel, wer das letzte Stück Pizza gegessen hat oder ob Ross wirklich der Richtige für Rachel ist, wenn wir mal wieder viel zu lang aufbleiben, um zusammen alte Wiederholungen vonFriends zu gucken. Und wir haben nie, wirklich niemals Geheimnisse voreinander. Bis jetzt. Kayla hat mir ein großes Geheimnis verschwiegen. Mit tut es im Herzen weh, wenn ich darüber nachdenke, wie anders jetzt alles sein könnte, wenn sie mir bloß früher gesagt hätte, unter welchen Schmerzen sie gelitten hat.
Ich atme mehrmals tief aus, bis mir fast schwindelig wird, und will gerade anklopfen, als durch den Spalt der nur angelehnten Tür ein Kichern zu mir dringt, das mich innehalten lässt. Ich lächele und schüttele den Kopf. Wie so oft frage ich mich, wie man bloß den ganzen Tag in der Schule zusammen verbringen kann und dann nach Hause geht, um den halben Abend zusammen weiterzuquatschen.
»Zu deiner Zeit damals gab es eben noch kein Snapchat«, erinnert mich Kayla gern regelmäßig. »Auf die Art und Weise unterhalten sich die Leute eben heute. Das ist komplett normal.«
Normal, denke ich. Alles ist wieder unsicher. Mit einem Mal fühlt sich Normalität wie ein Privileg an, das wir einfach als selbstverständlich vorausgesetzt haben.
Als das sorgenfreie Gelächter, wie man es aus der Kindheit kennt, lauter und aufgedrehter wird, bringe ich es nicht übers Herz, Kayla zu stören. Nicht jetzt. Ich muss diesen Normalzustand für mich noch ein wenig aufrechterhalten.
»Ich kann dieses Jahr nicht zum Jahrmarkt gehen«, höre ich Kayla sagen. »Meine Mum hat schlechte Laune. Wahrscheinlich hat sie von irgendeiner Mutter etwas Heikles gehört.«
»Was denn?« Aidens raue Stimme klingt so laut und deut