Mein Name ist Theo Faber. Ich bin zweiundvierzig Jahre alt. Und ich wurde Psychotherapeut, weil ich ein ernstes Problem hatte. Das ist die Wahrheit – obwohl ich das natürlich nicht beim Bewerbungsgespräch antwortete, als mir die entsprechende Frage gestellt wurde.
»Was hat Sie dazu bewogen, Psychotherapeut zu werden?«, erkundigte sich Indira Sharma und sah mich über den Rand ihrer eulenhaften Brille hinweg durchdringend an.
Indira arbeitete als leitende Psychotherapeutin im Grove. Sie war Ende fünfzig, hatte ein rundes, attraktives Gesicht und lange, pechschwarze Haare, durchzogen von grauen Strähnen. Sie schenkte mir ein kleines Lächeln, als wollte sie mir versichern, dass es sich um eine leichte Frage handelte, eine Aufwärmübung, die Vorstufe des heikleren Bombardements, das darauf folgen sollte.
Ich zögerte. Spürte, wie mich die anderen Mitglieder des Ausschusses ansahen. Ich hielt bewusst Augenkontakt, als ich eine einstudierte Antwort von mir gab – ein Wohlwollen erregendes Märchen, dass ich als Teenager Teilzeit in einem Pflegeheim gearbeitet hatte und wie das mein Interesse für Psychologie geweckt habe, was wiederum nach beendetem Studium zu einem anerkannten Abschluss der Psychotherapie führte und so weiter.
»Ich wollte immer schon Menschen helfen«, endete ich achselzuckend. »Mehr steckt nicht dahinter.«
Was Unsinn war.
Ich meine, natürlich wollte ich Menschen helfen. Aber das war ein zweitrangiges Ziel, vor allem zu der Zeit, in der ich mit meiner Ausbildung begann. Die wahre Motivation war rein egoistisch. Ich war darauf aus, mir selbst zu helfen. Ich glaube, das gilt für die meisten Menschen, die sich mit der geistigen Gesundheit anderer befassen. Wir fühlen uns zu diesem speziellen Beruf hingezogen, weil wir beschädigt sind – wir studieren Psychologie, um uns selbst zu heilen. Ob wir bereit sind, das zuzugeben, ist eine andere Frage.
Bei uns Menschen liegen die ersten Lebensjahre in einem Land vor der Erinnerung. Wir denken gern, dass wir mit zunehmender Bildung unseres Charakters aus diesem primordialen Nebel hervorgegangen sind wie Aphrodite in ihrer Perfektion aus dem Schaum des Meeres. Doch dank der wachsenden Forschung im Bereich der Gehirnentwicklung wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Wir werden mit einem halb ausgebildeten Gehirn geboren – einem Gehirn, das eher an einen matschigen Lehmklumpen erinnert als an eine olympische Göttin. Wie es der Psychoanalytiker Donald Winnicott formulierte: »So etwas wie ein Baby gibt es nicht.« Die Entwicklung unserer Persönlichkeiten findet nicht isoliert statt, sondern ausschließlich in der Beziehung miteinander. Wir sind geformt und vervollständigt durch unbemerkte, nicht erinnerte Kräfte: unsere Eltern.
Das ist beängstigend, und zwar aus offensichtlichen Gründen: Wer weiß schon, welche Demütigungen wir erlitten haben, welche Qualen und Misshandlungen in diesem Land vor der Erinnerung? Unser Charakter wurde geformt, ohne dass wir uns dessen überhaupt bewusst waren. Ich zum Beispiel wuchs auf mit einem permanenten Gefühl der Unruhe, Sorge, Angst. Diese Angst schien mich zu vereinnahmen und unabhängig von mir zu existieren. Allerdings vermute ich, dass sie in meiner Beziehung zu meinem Vater begründet war, in dessen Nähe ich mich nie sicher fühlte.
Seine unvorhersehbaren und unbegründeten Wutausbrüche verwandelten jede Situation, ganz gleich, wie harmlos, in ein potenzielles Minenfeld. Eine unschuldige Bemerkung oder eine abweichende Meinung konnten seinen Zorn auslösen und eine Reihe von Explosionen freisetzen, vor denen es kein Entrinnen gab. Das Haus bebte, wenn er schrie und mich die Treppe hinauf in mein Zimmer jagte. Ich tauchte unter das Bett ab und drückte mich gegen die Wand, atmete die fedrige Luft ein, flehte die Steine an, mich zu verschlucken. Aber seine Hand bekam mich stets zu fassen und zerrte mich hervor, konfrontierte mich mit meinem Schicksal. Der Gürtel wurde aus den Schlaufen gezogen und sauste pfeifend durch die Luft, bevor er traf; jeder Schlag, einer nach dem anderen, warf mich zur Seite, brannte sich in mein Fleisch. Dann war das Auspeitschen vorbei, genauso abrupt, wie es begonnen hatte. Ich wurde zu Boden gestoßen, wo ich liegen blieb, ein verkrumpelter Haufen Elend. Eine Lumpenpuppe, weggeworfen von einem zornigen Kleinkind.
Ich wusste nie, was ich getan hatte, um diese Wut auszulösen, war mir nie sicher, oder ob ich sie verdient hatte oder nicht. Ich fragte meine Mutter, warum mein Vater stets so zornig auf mich war – und sie zuckte jedes Mal verzweifelt die Achseln und erwiderte: »Woher soll ich das wissen? Dein Vater ist komplett verrückt.«
Wenn sie sagte, er sei verrückt, scherzte sie nicht. Würde er heutzutage einem Psychiater vorgestellt, so gehe ich davon aus, dass dieser bei meinem Vater eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren würde – eine Erkrankung, die zu seinen Lebzeiten nicht behandelt wurde. Das Resultat war, dass meine Kindheit und Jugend von Hysterie und körperlicher Gewalt bestimmt wurden; von Drohungen, Tränen und zerbrochenem Glas.
Es gab auch Momente des Glücks, natürlich; für gewöhnlich wenn mein Vater nicht zu Hause war. Ich erinnere mi