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Weimar, März 1974, im zehnten Stock eines Plattenbaus
»Nebenan wohnt meine Schwester!« Aufgeregt legte ich den Finger auf die Lippen und schloss hastig die Etagentür auf. »Pssst, sie darf uns auf keinen Fall hören!«
Der Lift hinter uns schloss sich wieder, und ich befürchtete, sein jämmerlich lautes Quietschen könnte Marianne und Dieter aus dem Schlaf reißen. Dann würden die beiden im Pyjama durch den Türspalt spähen und argwöhnisch fragen »Ist da jemand?«, und das musste ja nun wirklich nicht sein.
»Schnell!« Hastig schob ich meinen nächtlichen Besuch in meine kleine Wohnung und zog lautlos die Tür hinter uns zu.
So, da stand er nun. Karsten. Der blonde Halbgott, auf den alle Mädels der ganzen Stadt scharf waren. Bei mir zu Hause.
Ich hatte den außergewöhnlich gut aussehenden Typen erst vor ein paar Tagen in einer angesagten Disko kennengelernt und war jetzt schon schockverliebt.
Und zwar nicht nur in den Traumkerl, sondern einfach in mein ganzes Leben! Ich war jung, ungebunden und zugegebenermaßen nicht hässlich. Mir hatten schon mehrere heimlich zugeflüstert, ich hätte Ähnlichkeit mit Agneta von ABBA. Diese angesagte Band zu hören, war in der DDR verboten und deshalb war es umso reizvoller, mit der schwedischen Sängerin verglichen zu werden.
Karsten war mein perfektes Pendant! Dabei hatte es eigentlich meine Freundin Gitti auf ihn abgesehen gehabt und mich erst auf ihn aufmerksam gemacht! Gott, was für ein charmanter, wohlriechender und schöner Mann! Und tanzen konnte der! Leider musste Gitti mit ansehen, wie Karsten mich zielstrebig von der Bar pflückte und Richtung Tanzfläche zog, bevor sie überhaupt die Nase aus der Weißweinschorle gehoben hatte. Die ganze Nacht wirbelte er mich auf der kleinen Tanzfläche herum, und irgendwann schauten alle nur noch auf uns. Er hatte für DDR-Verhältnisse richtig coole Klamotten und trug die blonden gewellten Haare etwas länger, als die Polizei erlaubte. Ein Volltreffer, den ich da an der Angel hatte! Zum Glück konnte Gitti gut verlieren. Beste Freundin eben. Nun war Karsten Brettschneider mein. Seine hellblauen Augen strahlten mich an.
»Wow, so eine schnuckelige Wohnung!« Wohlwollend sah sich der groß gewachsene Traumtyp in meinem Einzimmerapartment um. In diesem winzigen Nest im zehnten Stock eines Plattenbauhochhauses wirkte er noch viel stattlicher als ohnehin schon. Mit seiner Persönlichkeit füllte er den ganzen Raum.
Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich freute mich, dass er meinem kusc